Pfefferspray

Eine mindestens irreführende Bezeichnung. Angesichts der Konzentration, in der die Polizei diesen Stoff einsetzt und der daraus resultierenden brutalen Wirkung, darf die Verwendung des Begriffes jedoch als grob fahrlässig gelten. Bei dem mit P. bezeichneten Agens handelt es sich um das Alkaloid Capsaicin, den Wirkstoff der Paprika- oder Chilipflanze. Die Benennung Pfeffer kommt wohl vom englischen Chilipepper, was Chilischote heißt. Eine miese Übersetzung also. Doch das macht es nicht besser. Die schärfsten als Gewürz eingesetzten Chilipflanzen des Typs Habanero haben beispielsweise einen Wert von maximal 580.000 Einheiten auf der sogenannten Scoville-Skala. Das von der Polizei verwendete P. hingegen erreicht auf dieser bis zu zwei Millionen Einheiten. Die Scoville-Skala ist subjektiv und gilt als ungenau und veraltet. Trotzdem dürfte deutlich werden, dass P. mit friedlichen Gewürzen, so scharf sie sein mögen, nicht das Geringste zu tun hat. Menschen können sterben, wenn sie mit dem Zeug in Kontakt kommen – einige Studien beobachteten, dass es bei einem von 600 Einsätzen einen Toten gibt. Mehr dazu findet sich auch hier. Die Umschreibung als P., die an gutes Essen und heimelige Küchen erinnert, lässt hingegen vergessen, dass es sich um eine lebensgefährliche Substanz handelt, die Polizisten als Waffe dient.

Eine Waffe übrigens, deren Wirkung die Betroffenen spüren sollen: Wer versucht, sich bei öffentlichen Auftritten gegen dieses Teufelszeug zu schützen, kriegt Ärger. Kann doch eine Schutzbrille schnell eine Schutzwaffe werden.

Mit herzlichem Dank an Markus H. für das Wortgeschenk.

FMS Wertmanagement

Selten deutliches Beispiel für bewusste Vernebelung: Die damit bezeichnete Wertpapier-Entsorgungsanstalt (auch euphemistisch Bad Bank genannt), ist nicht mit Management betraut. Zumindest nicht im eigentlichen Sinn. Denn to manage (ursprünglich ein altokzitanisches Wort)‚ bedeutet, etwas ,zustandebringen‘ oder mit der Hand lenken. Zustande aber bringt die Anstalt nichts, im Gegenteil. Statt zu erschaffen, soll sie wertlose Wertpapiere (ist das nicht herrlich?) so teuer wie noch möglich verkaufen. In diesem Zusammenhang von einem Management der Werte zu sprechen, grenzt an Lüge.

Doch es geht noch weiter. Die Abkürzung FMS steht für Finanzmarktstabilisierung. Die ist aber nur ein Teil der FMSA, was wiederum Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung meint, zu der die FMS Wertmanagement gehört. Bei dieser Mischung aus abgekürzten Abkürzungen und Antiphrasen (wert für unwert) ist man nicht mehr weit entfernt vom miniplenty, dem Ministry of Plenty, Ministerium für Überfluss, das in Orwells Lügenstaat den Mangel verwaltet.

Selbst das aber schien den Beteiligten noch nicht genug, haben sie die Aktienmüllkippe doch noch weiter veredelt und die Abkürzung zu FMS-WM abgekürzt. Was den sicher nicht unerwünschten Nebeneffekt hat, das der eine oder andere dabei an einen Weltmeister denkt. Oder völlig den Überblick verliert.

Lohnuntergrenze

Wortneuschöpfung, bis vor kurzem noch durchaus treffend als Mindestlohn bezeichnet. Der jedoch offensichtlich der Wahrheit zu nahe kommt, indem er andeutet, dass die gezahlte Summe wirklich das Mindeste ist, was man Menschen zumuten sollte, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen. Die L. dagegen klingt gleich viel weniger ausbeuterisch, ja geradezu wie ein Naturgesetz. Schließlich muss alles eine Grenze haben, nichts und niemand darf schrankenlos sein, nicht die Anonymität und nicht einmal die Menschenwürde. Wo kämen wir denn sonst hin, nicht wahr? Sind Schranken und Grenzen beteiligt, kann sich daher selbst die CDU mit der Idee anfreunden, dass harte Arbeit auch ein Mindestmaß an Geld erbringen sollte. Lustigerweise hat sich die neusprechende Union mit der L. in eine argumentative Falle begeben. Denn wo es eine Untergrenze gibt, muss natürlich auch irgendwo eine Obergrenze existieren. Weswegen wir dringend mal wieder über die Boni und Prämien der Leistungsträger reden sollten. Falls die grundlosen Zahlungen in irrer Höhe, die sich die Begünstigten meist selbst genehmigen, denn überhaupt noch so genannt werden.

Nachtrag: Um auch wirklich jedem klar zu machen, wie absurd die Wortschöpfung ist, hat die CDU sich dankenswerterweise entschieden, das Konzept zwar L. zu nennen, eine dazugehörende Untergrenze aber gerade nicht festzulegen. Eine grenzenlose Grenze sozusagen, was völlig neue Möglichkeiten der politischen Kommunikation Propaganda eröffnet: „Wir sagen jetzt hier mal Stopp! (Das klingt immer gut, aber wir fürchten natürlich die Konsequenz, weswegen wir nicht verraten, an welchem Punkt gestoppt werden soll.)“ Clever.

Mit herzlichem Dank an Oliver für den Nachtrag.

Finanzindustrie

Ein Gastbeitrag von Matthias G.

Suggeriert, dass diese Branche etwas Handfestes produziert und damit einen Mehrwert schafft, obwohl dem natürlich nicht so ist. Denn bei credit default swaps werden viele Schulden lediglich mit wenigen echten Werten zu einem neuen Finanzprodukt Zockerpapier verpackt, was – zugegeben – auch irgendwie kreativ ist. Dabei hat dieses dann auch noch ein scheinbar geringeres Ausfallrisiko als seine einzelnen Bestandteile. Weswegen es Manchem sogar mehr wert ist als die Summe der in ihm zusammengefassten Papiere lauernden Einzelrisiken. Doch auch wenn dieser Mehrwert nur in der Vorstellung der Aktienhändler existiert, hält die Allgemeinheit diese Praxis der Banken und Versicherungen offenbar für Wertschöpfung und Veredelung. Und nimmt es daher klaglos hin, wenn die F. solche Produkte produziert und damit, statt Werte zu schaffen, ganze Volkswirtschaften in die Krise stürzt.

Wahrscheinlich ist die Motivation, sich solche Worte auszudenken, ähnlich wie bei den Benennungsverschiebungen von Atomkraft zu Kernenergie oder von Vorratsdatenspeicherung zu Mindestspeicherdauer: Die neuen Begriffe klingen einfach viel schöner, mehr nach ehrlicher Arbeit. Beziehungsweise: Die alten Begriffe haben inzwischen einen ziemlich üblen Klang, und zwar aufgrund des Handelns der Protagonisten. Warum sonst sollten Banken und Versicherungen, die früher immerhin als Geldverleiher beschimpft wurden, dann aber lange als respektable Unternehmen galten, nun gern als F. bezeichnet werden wollen?

Vergleiche auch: Finanzprodukt; Metonymie, die den Eindruck erweckt, dass in einem aufwändigen Produktionsprozess „finanzielle Rohstoffe“ „veredelt“ werden. Gemeint sind jedoch Aktien und andere Wetten auf die Zukunft, deren Wert allein durch die Gier des Käufers definiert wird und eigentlich nur durch dessen Hoffnung existiert.

Markt, der

Wenn Gegenstände zum Leben erwachen, ist Vorsicht geboten, können sie doch ungeahnte Kräfte entfalten. Das gilt nicht nur für Besen. Auch M.-e können, werden sie zum Leben erweckt, Übles tun. Beispielsweise von Regierungen etwas fordern, ja gar verlangen: Entscheidungen zum Beispiel, vor allem aber mehr Geld. Plötzlich ist dann so ein M. gar „von Stimmungen getrieben“, ist somit unberechenbar und launisch, wie ein pubertierender Jugendlicher.

Leben diese Dinger tatsächlich? Nein, das darf als unwahrscheinlich gelten. Was also soll das? „Wenn es ein Phänomen wie das absolute Böse überhaupt gibt, dann besteht es darin, einen Menschen wie ein Ding zu behandeln.“ Den Satz schrieb John Brunner einst in seinem Roman Schockwellenreiter. Menschen zu Dingen zu machen, ist eine beliebte Strategie, um Denken zu beeinflussen. Umgekehrt funktioniert es genauso prima. Denn wenn der M. einen eigenen Willen hat, wenn er gar etwas verlangt, kann die Politiker keine Schuld treffen, wenn sie ihm das Verlangte geben. Unterliegen sie dabei doch gar einem Gesetz des M.-es. Die armen, hilflosen Politiker können also gar nicht anders, als die mächtigen und reichen Banken mit bei Bürgern eingesammelten Milliarden zu beschenken.

Doch wer den Handel mit Geld und Aktien personifiziert, wer behauptet, bunt bedrucktes Papier hätte Pläne und Wünsche, der will nur die wahren Verantwortlichen und Forderer nicht benennen. Der will damit seine Unfähigkeit verstecken und seine Verantwortung wegschieben an eine abstrakte Entität, die niemand greifen oder gar belangen kann. Vielleicht aber will er auch nur verbergen, wie macht- und hilflos er eigentlich ist. Denn eine Bundeskanzlerin, die ständig ängstlich warnt, die M.-e dürften nicht beunruhigt werden, kann nicht einflussreich sein. Sonst wäre ihr die Unruhe irgendeines Aktienhändlers egal.

So wichtig ist dieses Verstecken, dass der M. nicht nur personifiziert, sondern sogar divinisiert wird. Der M. wird zu einem Gott. Jedes Handeln in seinem Sinne ist damit alternativlos. Wer es wagt, an dieser Allmacht zu zweifeln, gilt als Tor. Oder schlimmer noch als Ketzer. Denn schließlich sind die Banken doch bitterarm und notleidend, oder?

Mit herzlichem Dank an Matthias H. für die Anregung.