Meiler

Ein M. ist eigentlich ein Holzhaufen, der langsam zu Holzkohle verschwelt und der so heißt, weil viele Scheite aufeinander gestapelt werden (lat. milarium ‚Tausendschaft, Haufen‘). Doch werden so auch Atomkraftwerke bezeichnet. Das ist etymologisch zumindest nicht ganz falsch, „verbrennen“ dort doch viele Urandioxidpellets. Mit dem Unterschied, dass die verkohlten Holzscheite nützlich sind, während die Uran- oder Plutoniumstäbe lebensgefährlichen Müll darstellen, der dringend in ein Endlager gehört. Weswegen der M. wohl als rhetorische Strategie gelten darf, Unbekanntes und Gefährliches mit Bekanntem und Nützlichem zu benennen (vgl. Vorratsdatenspeicherung).

zeitnah

Beliebte „Blähvokabel“ (Pleonasmus), klingt so schön eilig. Bedeutet jedoch eigentlich: irgendwann, vielleicht aber auch nie (und ist somit eine Antiphrase). Umgangssprachliche Entsprechung ist der Satz: „Jaja, gleich (und jetzt hau ab).“ Das sollte man dann auch schleunigst tun, wird man doch von solchen Zeitgenossen nie eine konkrete Antwort bekommen.

Mit Dank an Wolfgang B.

Harmonisierung

Harmonia, die: Griechisch für Zusammenfügung, siehe gleichnamige Göttin der Eintracht. Als erstrebenswert geltender Zustand, mit dem Symmetrie, Wohlklang und Abwesenheit von Konflikten assoziiert sind. Die davon abgeleitete H. nutzt die positive Konnotation zur euphemistischen Umschreibung einer Zwangsvereinigung auf niedrigstem gemeinsamen Niveau. Beispielsweise bei der Vereinheitlichung europäischer Vorschriften. Bezeichnenderweise stellt sich eben jene Harmonie bei vielen Bürgern nicht ein. Vielleicht soll sie das aber auch gar nicht, ist das Ziel der H. doch, „Störungen im gemeinsamen Markt zu vermeiden“. Nicht etwa Störungen im Zusammenleben der Menschen.

wir

Personalpronomen: erste Person Plural. Bezeichnet im Deutschen eine Gruppe von Personen, zu denen der Sprecher gehört, ohne jedoch klarzustellen, ob auch der Angesprochene gemeint ist. So kann das kleine Wort ausgrenzen: ‚Wir sind das Volk,‘ (aber ihr nicht). Es kann jedoch genauso gut einverleiben: ,Wir haben mehr zu bieten,‘ (wir alle, auch Du). Andere Sprachen unterscheiden das eindeutiger und kennen ein exklusives wir und ein inklusives. Zusätzlich gibt es im Deutschen noch ein extensives wir, das dem Sprecher ermöglicht, sich einer beliebigen Gruppe anzuschließen, auch wenn er mit ihr gar nichts zu schaffen hat (‚Wir sind Papst.‘)

Diese Besonderheiten machen das harmlos wirkende Pronomen zu einem Zauberwort der Politik. Kann der Sprecher damit doch im Unklaren lassen, wen er eigentlich meint. Die CDU demonstriert das beispielhaft mit dem Wahlwerbespruch: „Wir haben die Kraft.“ Sie schließt sich damit nicht nur denen an, die glauben, kräftig zu sein, sie dehnt diese geborgte Kraft auch gleich noch auf alle aus und vermittelt dabei ein wunderbar heimeliges Gefühl des Zusammenhalts.

Oder – ähnlich praktisch – der Ausschluss, ohne diesen explizit formulieren zu müssen. Wieder die CDU, dieses Mal Friedrich Merz vor vielen Jahren: „Wir brauchen eine Leitkultur.“ (Denn eure Kultur wollen wir nicht.) Oder Angela Merkel vor wenigen Jahren mit der Drohung: „deshalb werden wir auch andere Themen auf die Tagesordnung bringen, wie bestimmte Veränderungen im Jugendstrafrecht, genauso wie die Onlinedurchsuchung und vieles andere mehr.”

Welch diktatorische und erdrückende Macht ein solches Wir-Gefühl entfalten kann, zeigt sehr schön der dystopische Roman мы (russisch: ‚wir‘) von Jewgeni Samjatin aus dem Jahr 1920. Ein Ich gibt es dort nicht mehr, nur noch das Kollektiv mit seiner klaren, auch heute noch gern eingenommenen Haltung: „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.“

Tötung, gezielte

Eigentlich staatlich sanktionierter Mord, daher Umbringen eines Menschen ohne gesetzliche Rechtfertigung und insofern ein Euphemismus. Schon die Wortwahl zeigt, wie klar sich die Beteiligten darüber sind, dass ihr Verhalten irgendwie nicht in Ordnung ist: gezielt soll nahe legen, dass der oder die Täter a) schon ganz bestimmt den Richtigen treffen werden, und dass er oder sie b) wissen, was sie tun. Tötung dann ist der Versuch, das Ganze so sachlich wie nur irgend möglich darzustellen und gleichzeitig Rechtsstaatlichkeit zu simulieren. Denn die gezielte T. ist eine Analogiebildung. Gibt es doch nur einen anderen Zusammenhang, in dem das ungewöhnliche Substantiv verwendet wird, im Strafgesetzbuch, bei der fahrlässigen Tötung. In jedem anderen Kontext spricht man nicht von Tötung, sondern von Töten.

Spätestens die Ausflucht der Töter (?) offenbart, wie absurd das Vorgehen ist. Wirkt es doch hilflos bis lächerlich, wenn mächtige Staaten wie Israel und die USA argumentieren, es sei ein Akt der Selbstverteidigung, Menschen zu erschießen, statt sie vor ein Gericht zu stellen – Notwehr also. Dabei ist Notwehr nur dann eine, wenn auf einen aktuellen Angriff reagiert wird und zwar adäquat – daher nur mit der Gewalt, die notwendig ist, um ihn zu stoppen. Wer mehr tut, macht sich strafbar. Wer zuschlägt, obwohl es gerade gar keinen Angriff gibt – egal, was in der Vergangenheit geschah –, wird selbst zum Angreifer. Auch die Gerechtigkeit, von der dann gern die Rede ist, macht es nicht besser. Denn mit dem Recht – dem über Jahrhunderte ausgehandelten Kodex des Zusammenlebens – hat sie nichts zu tun. Siehe auch: Rettungsschuss, finaler und Feindstrafrecht.

Halten wir es daher lieber mit dem Satiriker Wiglaf Droste: „Selbst wer schlicht ist, muss erkennen / Mörder soll man Mörder nennen.“