Flat Tax

Früher hieß es Pauschalpreis, heute Flat Rate. Wie auch immer, die Idee ist dieselbe: einen festgelegten Betrag bezahlen und dafür so viel essen, trinken oder telefonieren, wie man will. Das lohnt sich, weil nicht alle Vielfraße, Säufer oder Schwadronierer sind. Im Durchschnitt macht der Anbieter Gewinn und der Käufer glaubt trotzdem noch, dass er ein Schnäppchen gemacht hat. Bei der Flat Tax ist es andersherum: Alle Steuergeschenke werden abgeschafft, dafür sinkt der Höchstsatz der Steuer. Er ist somit nicht mehr abhängig von Ausnahmen oder dem Einfallsreichtum eines Steuerberaters, sondern er wird eben oder flach, daher „flat“. Das wäre natürlich ganz toll, weil es dann die ganzen Steuersparberater, Finanzbeamte und Anwälte nicht mehr bräuchte. Jeder könnte seine Steuererklärung auf einem Bierdeckel machen.

Aber ganz so prima, wie der hübsche Begriff F. suggeriert, ist das Ganze dann doch nicht. Denn es profitieren unter Umständen wieder einmal nur die, die sowieso schon viel haben. Abgeschafft werden Dinge, die auch ein Normalverdiener nutzen kann, um Steuern zu sparen, die Werbungskostenpauschale beispielsweise. Gesenkt aber wird nur das, was Spitzenverdienern Reichen nützt, je reicher, desto mehr. Ein Parfümerie-Fachverkäufer beispielsweise kommt auch mit einer F. nie in die Nähe des Spitzensteuersatzes. Die „Minderzahler“ also zahlen drauf.

Dass die Idee auch gern mit Einheitssteuer übersetzt wird, macht es nicht besser. Wir Deutschen finden Einheit gut, wir mögen es, wenn alle gleich behandelt werden, das hält unseren Neid im Zaum. Aber von Gleichbehandlung sollte besser keine Rede sein. Denn würden alle gleich behandelt, würde also für alle der gleiche Steuersatz gelten, wären wieder die Armen arm dran und würden im Verhältnis zu ihrer Habe mehr zahlen.

Soll es halbwegs gerecht zugehen, muss gleichzeitig auch der Eingangssteuersatz steigen, oder aber eine entsprechend hohe Summe steuerfrei bleiben. Dann und nur dann kann die F. für alle funktionieren, daher jene stärker belasten, die mehr haben. Flat, beziehungsweise einheitlich aber ist das Ganze dann natürlich nicht mehr, sondern sogar ziemlich krumm. Der Name also kann getrost als Irreführung gelten. Wozu es die braucht? Nun, vielleicht um die Neugier nach der genauen Höhe des Freibetrages zu bremsen.

innehalten

Angesichts dramatischer Ereignisse äußern Politiker gerne den Wunsch, sie irgendwer die Welt möge i. Sie möge also ‚pausieren‘, denn nichts anderes bedeutet das Wort. Immerhin, so die Begründung, könne man nach einer Katastrophe nicht einfach „zur Tagesordnung übergehen“. Könnte man schon, es schickt sich aber nicht. Wirkte es doch, als nähme man der betreffende Politiker das Ereignis nicht ernst genug. Da Handeln meist mühsam und teuer ist, wird alternativ kurz innegehalten. Das wirkt wohlerzogen, ein wenig Besinnung schließlich hat jeder gern, vor allem zu Weihnachten. Dabei drückt beispielsweise eine Bundeskanzlerin vor allem eines aus, wenn sie versucht, der Zeit der Strahlung der Debatte Einhalt zu gebieten: dass sie alles lieber täte, als zu handeln, beziehungsweise etwas zu ändern. Viel einfacher ist es, sich kurz zu besinnen, der Opfer zu gedenken und dann weiter zu machen wie bisher.

Verwahrung

Eine der schlimmsten Strafen, die Menschen kennen, ist der Verlust der Freiheit. Jene, die es betrifft, finden daher durchaus drastische Worte dafür und nennen das Phänomen Knast, Bunker, Karzer, Kerker. Jene, die die Strafen verhängen, sind dagegen eher interessiert, das Ganze für den Rest der Welt ein wenig zu beschönigen. Wodurch sie aber – wie so oft – der Wahrheit näher kommen, als ihnen lieb sein kann. So auch mit der V. Das Wort kommt harmlos daher, beschreibt es doch vor allem das „Sichern von Dingen“, die man nicht verlieren will. Was ja nicht schlecht ist. Menschen jedoch werden damit verdinglicht (das Gegenteil von Personifizierung). Vor allem aber wird verschleiert, dass die Verurteilung zum Freiheitsentzug sich ins Endlose dehnt, tritt sie doch erst nach Ablauf der eigentlichen Strafe ein.

Besonders perfide ist die Sicherungs-V., denn bei ihr wird gesichert und verwahrt, was gleich zwei Mal eine solche Verdinglichung darstellt, denn nur Gegenstände können gesichert werden. Darüberhinaus ist der Begriff ein Pleonasmus, weil V. schon eine Sicherung ist.

Nicht, dass wir eine bessere Idee hätten, wie mit Straftätern umzugehen wäre, die nicht anders können oder wollen. Aber wenn auch der Staat das schon nicht weiß, dann sollte er nicht noch versuchen, das Problem mit beruhigenden Begriffen zu verkaufen.

Übrigens, aber das nur nebenbei, wurde die V. einst tatsächlich mit Bezug auf Personen verwendet. Dann aber hatte sie die Bedeutung ‚(ver-) pflegen‘ oder ‚für etwas sorgen‘ und meinte nicht ‚auf unbestimmte Zeit wegsperren‘.

Versachlichung

Ver|sach|lich|ung, die; Politik-Variante des im Sandkasten heulend gebrüllten: „ich will das nicht mehr hören, Ihr seid gemein.“ Wenn alle Argumente gegen einen Diskutanten sind, bildet die Forderung nach V. das letzte Mittel, denn sie enthält den indirekten Vorwurf, alle anderen hätten nicht etwa Recht, sondern seien lediglich unsachlich.

Was lustig ist, handelt es sich doch bei der V. um eine Ableitung von versachlichen, das auf das Adjektiv sachlich zurückgeht, das wiederum das Lehnwort objektiv verdeutscht. Eine versachlichte Diskussion oder gar Debatte ist also ein Widerspruch in sich, eine contradictio in adiecto, vielleicht sogar ein Oxymoron. Denn eine Diskussion zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass die vertretenen Standpunkte eben nicht objektiv sind.

Daher lautet die Biermann-Haase-Erweiterung von Godwins Gesetz: Je länger eine politische Diskussion dauert, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand die V. derselben fordert. Beziehungsweise, in Anlehnung an Richard Sexton: Wenn jemand die V. einer politischen Debatte fordert, ist die Debatte beendet und der Forderer der argumentative Verlierer.

Prominente Beispiele: Vatikansprecher, die fordern, die Debatte um sexuellen Missbrauch in der Kirche solle doch bitte versachlicht werden, mit anderen Worten nicht immer nur von den bösen Priestern handeln; Atomkraftwerksbetreiber, die finden, das ständige Debattieren über eine zusätzliche Besteuerung ihres riskanten Tuns helfe nicht (vor allem nicht ihnen); Innenpolitiker, die verlangen, das Gerede über Nacktscanner müsse ein Ende haben, das schade der Sicherheit, oder die Vorratsdatenspeicherung solle nicht mehr so genannt werden, da werde man „komisch angesehen“.

Vgl. auch ähnliche Strategien der Argumentation: alternativlos und absurd.

Schutzwaffe

Eine S. oder auch passive Waffe ist gar keine Waffe. Das verwirrt Sie? Moment, wird gleich klarer. Mit den Begriffen werden im Versammlungsrecht all jene Dinge bezeichnet, die dazu taugen, vor der Wirkung von Waffen zu schützen. Aber natürlich ist diese Falschbenennung kein Zufall, dient sie doch dazu, das Tragen von schützender Kleidung zu diskreditieren, oder genauer: deren Träger. Das wird klar, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Dinge gemeint sind: Regenhosen zum Beispiel, Zahnschienen oder eine Schutzbrille (die auch noch als Vermummung gilt). Selbst ein Fahrradhelm ist nach dieser Rechtsauffassung eine passive Waffe. Wer sich vor Gewalt schützen wolle, so die Logik, der suche die Gewalt geradezu, ja sei selbst zu ihr bereit. Die Argumentation ähnelt auf fatale Weise der üblen Ansicht, Frauen seien auch irgendwie schuld daran, wenn sie vergewaltigt würden. Schließlich hätten sie ja ein enges Kleid angehabt. Es handelt sich also bei der S. um das Gegenteil eines Euphemismus, um einen Dysphemismus, eine Schmährede.

Und bitte jetzt keine Witze über die Gewaltbereitschaft deutscher Polizisten angesichts ihrer Helme und Schilde. Denn die tragen selbstverständlich eine Schutzausrüstung, das ist etwas ganz anderes. Oder, wie der grandiose Georg Kreisler sang: “Jeden Tag sind wir beim Schützen frisch dabei / schützet auch die Polizei!”

Mit herzlichem Dank an Jörg S. für die Einsendung.