Eine Kulanz liegt vor, wenn Verkäufer Käufern über die gesetzlich festgelegten Garantie- und Gewährleistungsansprüche hinaus im Falle eines Ärgernisses entgegenkommen. Es kommt vom französischen coulant ‚rollend, fließend‘, das in diesem Zusammenhang so viel wie ‚geschmiert‘ bedeutet: Um die Zufriedenheit und damit die Kundenbindung zu verbessern, wird eine Kulanz gewährt. Sie ist also immer etwas Besonderes, das in der Regel nicht einklagbar ist. Die S. ist somit eine Verdoppelung des Besonderen. Damit soll noch einmal unterstrichen werden, dass es sich bei diesem Entgegenkommen um eine besondere Ausnahme handelt. Doch wird von S. meist gesprochen, wenn Kunden möglicherweise doch einen Anspruch auf Vergütung haben, die Kulanz also gar keine ist (so zum Beispiel bei der Erfüllung von Fahrgastrechten bei der Deutschen Bahn). Die Verdopplung des Besonderen ist also ein Hinweis für eine unpassende Verwendung des Wortes (Malapropismus). Und darauf, dass Menschen hier lediglich das bekommen, was ihr Recht ist.
Temposünder
Sünden sind schlimm, aber strafrechtlich nicht weiter von Belang, im Strafgesetzbuch taucht der Begriff nicht auf. Weswegen Sünden im heutigen Sprachverständnis längst nicht mehr so schwer wiegen wie einst. In der Folge wirken Verfehlungen, die als Sünde bezeichnet werden, harmloser als andere Taten. Das zeigt sich am Steuersünder, aber auch am T. Die Strafen für überhöhte Geschwindigkeit sind in den vergangenen Jahren gestiegen, zuletzt wurden zwei Raser sogar erstmals wegen Mordes angeklagt, in einem anderen Fall bestätigte auch der Bundesgerichtshof eine solche Verurteilung. Offensichtlich ändert sich die gesellschaftliche Haltung gegenüber diesem Delikt. Der seit langer Zeit übliche Ausdruck T. passt dazu irgendwie nicht mehr. Andererseits werden die allermeisten Geschwindigkeitsüberschreitungen in Deutschland noch immer sehr viel milder bestraft als in anderen europäischen Ländern. Es drängt sich der Gedanke auf, dass die Wortwahl bei der Beschreibung der Täter etwas damit zu tun haben könnte.
Mit Dank an Frerk M. für den Vorschlag.
Klimawandel
Neusprech für Klimakatastrophe. Dass das Klima seit jeher einem ständigen Wandel unterworfen ist, wird von niemandem bestritten. Es ist eine triviale Feststellung. Wenn heute von K. die Rede ist, geht es meist um den menschengemachten K. der jüngeren Vergangenheit, der uns in die Klimakatastrophe geführt hat. Interessanterweise war angesichts des Ozonlochs schon 1990 im Bundestag von Klimakatastrophe die Rede (Quelle zum Bild).
Doch wurde die eindeutige Klimakatastrophe inzwischen weitgehend durch das harmlose Wort, also den Euphemismus K. ersetzt. Mag sein, dass manche Leute glauben, die Klimakatastrophe läge noch in weiter Ferne, doch riesige Waldbrände, enorme Überschwemmungen und untergehende Inseln zeigen, dass diese Katastrophe für die gesamte Menschheit längst in vollem Gange ist. Daher sollte sie auch so genannt werden – in der Hoffnung, dass diese Wortwahl hilft, möglichst bald wirksame Wege zu finden, um diese Katastrophe zu bekämpfen.
Baugruppengewinnung, qualifizierte
Ersatzteile sind bei der Bundeswehr knapp. Blumige Wörter, um diesen Mangel zu beschreiben, hingegen nicht. Bei der Luftwaffe wird das Ausschlachten von Kriegsgerät, um anderes Kriegsgerät zu betreiben, → gesteuerter Ausbau genannt. Das Heer hat da eine eigene Lösung, also zumindest sprachlich. Das Prinzip ist dasselbe: Da keine Ersatzteile verfügbar sind, werden andere Panzer kannibalisiert. Damit das nicht so hässlich klingt, nennt das Verteidigungsministerium den Vorgang im besten Militärsprech qualifizierte B. Was daran qualifiziert sein soll, also besondere Sachkunde erfordert, erschließt sich nicht. Vor allem, da dieser Mangel von vornherein absehbar war. Die Aufträge, Ersatzteile zu produzieren, wurden viel zu spät erteilt – um das Panzerprojekt nicht nur schönzureden, sondern auch schönzurechnen.
Siehe unter → dynamisches Verfügbarkeitsmanagement.
Bankgeschäft, verantwortungsbewusstes (responsible banking)
Als die Deutsche Bank kürzlich verkündete, sich zu den Prinzipien des „responsible banking“ zu bekennen, konnte man denken, es gehe darum, weniger zu betrügen. Doch weit gefehlt! Diese Initiative will die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und des Pariser Klimaabkommens erreichen. Und das will übrigens nicht einmal die Bank selbst, sondern das sollen ihre Kunden erledigen. Die Banken verpflichten sich lediglich dazu, ihre Kunden beim Übergang in eine kohlenstoffarme, nachhaltige Wirtschaft zu unterstützen. Was genau das bedeutet? Wenig bis nichts. Es klingt ein bisschen nach „Pillepalle“ (wie ja so manche aktuelle Maßnahme für den Klimaschutz). Dass es sich bei dem Adjektiv verantwortungsbewusst hier um eine Blähvokabel (Pleonasmus) handelt, wird auch daran deutlich, dass die Leute, die responsible banking propagieren, bestimmt nicht zugeben werden, dass sie bisher verantwortungslos (irresponsible) gehandelt haben. Dabei wäre das gar nicht so falsch, halten doch nicht nur Kapitalismuskritiker, sondern auch Klimaaktivisten den Kapitalismus und insbesondere den Finanzkapitalismus für inhärent verantwortungslos.
Siehe auch → bekennen, sich.