depublizieren

Klingt, als würde etwas, das versehentlich veröffentlicht wurde, schnell wieder zurückgenommen, um den Fehler ungeschehen zu machen. Immerhin bedeutet die Wortschöpfung d. so viel wie ‚entöffentlichen‘, also der Öffentlichkeit wieder entziehen. Was eine Frechheit ist. Denn gebraucht wird dieses Wort, um verschämt zu umschreiben, dass öffentlich-rechtliche Sender dank des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrages gezwungen sind, Texte und Videos, die sie für ziemlich viel Geld haben herstellen lassen, dauerhaft zu verstecken. Damit private Sender ihre möglicherweise sogar qualitativ schlechteren Texte und Filme besser verkaufen können. Nach dieser Lesart war die mit den Gebühren der Bürger finanzierte Erfüllung des Bildungsauftrages also ein vorübergehend geduldetes Übel. Man könnte es aber auch als Diebstahl an der Gesellschaft begreifen. Immerhin hat die Gesellschaft für die Inhalte bezahlt, ihr gehören sie.

Mit Dank an Ralf K.

Integrationsverweigerer

Integration geht auf das lateinische Adjektiv integer für “ganz” oder “rein” zurück, das es auch als deutsches Fremdwort gibt, meist für eine aussterbende Art von Politikern. In der Soziologie bekam der zuvor schon in anderen Disziplinen geläufige Terminus Integration die Bedeutung “(Wieder-) Herstellung eines gesellschaftlichen Ganzen”. Gemeint ist also die Zusammenführung von Teil- oder Parallelgesellschaften zu einer gesellschaftlichen Ganzheit. Nun fordern Vertreter einer nicht aussterbenden Art von Politikern, dass Integrationsverweigerer oder gar Integrationsmuffel bestraft werden sollen, und meinen damit Einwanderer, obwohl die Verweigerer oder Muffel wohl eher in den Reihen dieser Politiker oder ihrer Wähler zu suchen sind. In der Psychoanalyse spricht man von Projektion, wenn das eigene (Fehl-) Verhalten anderen angekreidet wird. Es werden also Integrationsregeln für Einwanderer gefordert; Regeln sind keine Gesetze, dennoch soll bestraft werden, wer sich nicht daran hält. Das ist schon juristisch fragwürdig, und angesichts der Wortbedeutung von Integration erst recht: denn da es sich dabei um eine gesamtgesellschaftliche Angelegenheit handelt, haben diese Regeln den Charakter von Konventionen, die für alle Mitglieder der Gesellschaft gelten. Zum Erlernen der Integrationsregeln werden außerdem Integrationskurse gefordert – wieder nur für Einwanderer. Denn von Fremden haben wir doch nichts zu lernen; das wäre ja noch schöner! Moment mal: Ist nicht Lernen definitionsgemäß das Aneignen von Fremdem? Und ist da nicht im eigentlichen Wortsinn von Integration die ganze Gesellschaft gefordert?

Qualitätsklassen

Eigentlich ein neutraler Begriff. Nur die Tatsache, dass er verwendet wird, um eine Verschlechterung zu verbergen und Kunden zu täuschen, qualifiziert die Q., gern auch Quality of Service genannt, als Neusprech. Es geht um Netzneutralität, darum also, dass bislang im Internet alle Inhalte gleich sind, keiner darf schneller (oder langsamer) befördert werden. Firmen wie die Telekom, denen die Leitungen gehören, finden das doof, könnten sie doch mit Wegelagerei Zollschranken noch viel mehr Geld verdienen. Daher wollen sie bestimmte Inhalte schneller befördern als andere – gegen Geld, versteht sich. Als plakatives Beispiel werden dann gern Daten aus einem Operationssaal genannt. Doch so funktioniert das Netz nicht. Kunden, die sich eine DSL-6000-Leitung mieten, erhalten (wenn sie Glück haben), alle Daten mit einer Rate von sechs Megabit pro Sekunde. Schneller geht es nicht, langsamer schon. Q. also meint, dass einige Inhalte, für die Anbieter viel Geld bezahlt haben, weiter mit der bislang für alle verfügbaren Geschwindigkeit zum Kunden gelangen. Der Rest wird gebremst und so langsamer. Qualität im klassischen Verständnis von Güte sieht anders aus.

Nacktscanner

Beispiel für eine (zumindest zeitweise) gescheiterte Vernebelungsstrategie. Die neutrale Bezeichnung lautet Terahertzscanner. Möglicherweise klang das zu futuristisch und Angst machend. Das Innenministerium zumindest nannte die Geräte, die die Kleidung von Flugpassagieren durchleuchten sollen, zuerst Body- oder Ganzkörperscanner. Medien dann machten sie zu N. und sorgten damit für ein vorläufiges Ende des Projekts. Politisch war es unter diesem Namen nicht mehr vermittelbar und wurde 2008 als „Unfug“ gestoppt. Bis jemandem die Idee mit den „Strichmännchen“ kam. Angezeigt werde nicht mehr der nackte Körper, sondern etwaige Gegenstände würden „auf einer schematischen Personendarstellung wie Strichmännchen dargestellt“, sagte der neue Innenminister Thomas de Maizière 2010. Körperscanner heißen sie nun, obwohl sie gar keine Körper mehr anzeigen. Oder gar Sicherheitsscanner, wogegen man ja nun gar nichts haben kann, denn Sicherheit will doch schließlich jeder (auch wenn nicht klar ist, wie man die scannen kann). Und siehe da, plötzlich war das Nackigmachen wieder ok. Allerdings erinnert der Begriff Körperscanner nun an die Körperfresser. So viel besser als das technisch korrekte Terahertzscanner ist das auch nicht.

Mit Dank für die Sicherheitsscanner an Backnang

Leistungsträger

Positiv soll es klingen, lobend und auf keinen Fall diskriminierend. Doch verbirgt sich hinter diesem einen Wort eine ganze Verleumdungskampagne. Denn wo es L. gibt, da müssen irgendwo auch nichts tuende Schmarotzer Minderleister sein. Ohne Licht kein Schatten, oder? Und genau darum geht es: der Begriff soll die Gesellschaft spalten, er soll hetzen gegen jene, die staatliche Leistungen Hilfe erhalten und den Sozialstaat, der einst als Errungenschaft bejubelt wurde, abschaffen helfen. Denn er stört manche Leute: Er kostet Geld und dieses Geld wurde den L. weggenommen, um es irgendwelchen Faulpelzen Transferbeziehern zu geben – finden zumindest die L. und die, die sie politisch gern repräsentieren würden. Oder, wie Holger Platta schrieb: “Wer weiß, was Begriffe ,leisten‘ können, weiß auch, was dieser Begriff ,Leistungsträger‘ leisten soll: ideologisierend und beschönigend und verfälschend das Bewusstsein der Öffentlichkeit manipulieren – im Interesse der Herrschenden.” Nur nebenbei: Wer den Sozialstaat abschaffen will, handelt verfassungsfeindlich. Heißt es in Artikel 20 und Artikel 28 des Grundgesetzes doch, die Bundesrepublik sei ein “sozialer Rechtsstaat”.