Dass die Verwendung des Plurals bisweilen eine abschwächende, ja sogar euphemistische Wirkung haben kann, zeigen die parlamentarischen Zwänge, die etwas völlig anderes sind als ein Zwang. Ähnlich verhält es sich mit Adjektivierungen. Fehler sind etwas, das jedem unterlaufen kann, sie sind (gerade im Plural) Teil des Lebens. Und das Handwerk ist gar der Inbegriff der Möglichkeit zu scheitern. Wer mit seinen Händen wirkt, wer hämmert, sägt, schleift, schraubt, der kann abrutschen – je fester er zupacken will, desto eher. Das ist verzeihlich, ja unvermeidlich. Nur wer übt, wer Fehler macht und neu probiert, kann lernen und besser werden. Handwerkliche F. jedoch sind nichts dergleichen, sie sind Schlamperei und Beleg dafür, dass jemand sein Handwerk nicht beherrscht. Einen Gefallen also tut sich Karl-Theodor zu Guttenberg nicht, wenn er bei seinem Plagiat von gar „gravierenden handwerklichen F.“ spricht. Heißt es doch, er hatte keine Ahnung von dem Handwerk, davon also, wie man eine Doktorarbeit schreibt. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass es unverfroren ist, eine moralische Verfehlung und ein im Zweifel auch strafrechtlich relevantes wissenschaftliches Fehlverhalten als Fehler, als Kleinigkeiten also kaschieren zu wollen und sich dabei noch mit einem redlichen Handwerker zu vergleichen.
Das pikante daran ist, das Guttenberg sich zu seinem eigen Richter aufspielt, und die eigentlichen Richter, die Universität Bayreuth zu den Plagiatsvorwürfen mehr oder minder schweigt. Da erweckt den Anschein als ob da noch ganz andere “handwerkliche Fehler” gemacht werden. Dies wirft die Frage auf um in welchem Handwerk überhaupt Fehler gemacht wurden.
Gruss
“Plagiatsvorwürfe” als bloße Anschuldigung ohne konkrete Beweise. Verharmlosung / Euphemismus. Beschuldigen kann man jeden Menschen erstmal alles getan zu haben. Das kann dann haltbar oder haltlos sein.
Vorzuwerfen hat sich jemand etwas aber erst nach einer Handlung / Unterlassung. Vorwürfe können akzeptiert oder zurückgewiesen werden.
@kimi ja, er bittet die Uni Bayreuth darum, den Doktortitel zurückzunehmen (d.h. abzuerkennen); der Schuldige spielt sich zum Richter auf, und die Uni stellt auch noch fest, dass das hilfreich war. m(
Update: Wie ich gerade lese, wurde die Entscheidung der Verleihung eines Doktortitels tatsächlich auf dem Verwaltungsweg zurückgenommen und Guttenberg wurde damit ein Aberkennungsverfahren (das eigentlich angemessen wäre und das die Promotionsordnung in solchen Fällen vorschreibt) erspart.
“Strafrechtlich relevant”? Solange durch den Diebstahl des geistigen Eigentums die Bestohlenen nicht geschädigt werden, glaube ich nicht, dass es strafrechtlich relevant ist. Und ironischer Weise bekommen eben diese und ihre Publikationen durch das mediale Aufbauschen mehr Aufmerksamkeit, als sie es womöglich verdienen. Von Schaden kann also nicht die Rede sein.
@plechikov: die Konservativen und die Content-Industrie werden ja nicht müde, den materiellen Schaden durch Urheberrechtsverstößen zu betonen, selbst wenn diese ihnen wirtschaftliche Vorteile bringen. Man muss diese Auffassung nicht teilen. Wohl aber ist im vorliegenden Fall ein immaterieller Schaden entstanden, nämlich für die Universität (nicht nur die Bayreuther), die Promotion und auch für die Urheber, z.B. für den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages. Es bleibt zu prüfen, ob das wissenschaftliche Fehlverhalten nicht den Tatbestand des Betrugs erfüllt. Aber das sollen Juristen klären.
Eine generelles Anliegen habe ich: Könnt Ihr bitte Abkürzungen vermeiden?
(Nicht nur hier, sondern in allen Blog-Einträgen)
“Handwerkliche Fehler” liest sich nun mal deutlich besser als “handwerkliche F.” Dies ist doch kein Papier-Lexikon, bei dem der Platz rar und kostbar ist.
Nix für ungut, ich finde dieses Blog sehr gut und wichtig.
@mersenne wir haben uns hier an dem Stil eines Papierlexikons orientiert, aber wenn das nicht gefällt, können wir das gern ändern.
Und ich dachte, die Abkürzungen sind eine SEO-Maßnahme (welche auch immer).
> wir haben uns hier an dem Stil eines Papierlexikons orientiert
Nein, das macht wirklich keinen Sinn.