Balance (von Sicherheit und Freiheit)

Von der Bundeskanzlerin über die gesamte Bundesregierung bis hin zur SPD erfreut sich die B. seit Jahren bei all jenen großer Beliebtheit, die mehr Überwachung rechtfertigen wollen. Immer, wenn es darum geht, Bürgern wieder einige ihrer Grundrechte wegzunehmen, wird die B. (von Sicherheit und Freiheit) bemüht. Sie soll denen eine Beißhemmung verpassen, die eben solche ihnen verfassungsmäßig garantierten Rechte einfordern. Und sie soll all die Zaghaften und Zweifelnden, die sich nicht sicher sind, ob die Bespitzelung aller Bürger nicht vielleicht doch zu irgendetwas gut ist, dazu überreden, ihre Freiheit klaglos aufzugeben.

Wer von dem einen mehr will, heißt das sprachliche Bild der B., der nimmt dem anderen etwas weg. Wer Freiheit fordere, mache das Leben aller unsicherer, ja gefährlicher. Wer Sicherheit wolle, der müsse eben ein paar Freiheiten opfern. Doch es gibt diese Balance nicht, da die beiden Ideen nichts miteinander zu tun haben. Sie sind eben nicht die zwei Enden einer Wippe. Das Gegenteil von Sicherheit ist Unsicherheit. Das Gegenteil von Freiheit ist Unfreiheit.

Die Behauptung, es gäbe und brauche irgendeine B. (von Sicherheit und Freiheit), ist eine Lüge. Mehr Überwachung macht garantiert unfrei, ob sie sicher macht, ist unbewiesen. Es gibt vielmehr Indizien dafür, dass eine überwachte Gesellschaft alle verunsichert, denn Überwachung schürt gegenseitiges Misstrauen und Angst.

Deutschland ist eines der sichersten Länder der Erde. Menschen sterben hier, weil sie zu viel essen und sich zu wenig bewegen. Menschen werden hier vor allem von jenen umgebracht, die zu schnell Auto fahren. Sie sterben nicht, weil irgendjemand Bomben zündet oder um sich schießt. Trotzdem wird jedes neue Überwachungsgesetz damit gerechtfertigt, dass nur so, nur durch diese Beschneidung von Freiheitsrechten, das Leben sicherer gemacht werden könne. Tempolimits und mehr Geld für Turnhallen und Sportvereine würden hundert Mal mehr Menschenleben retten als jedes Überwachungsgesetz.

Die Lüge von der B. hat nur eine Funktion: Sie soll die Menschen diskreditieren, die sich gegen Überwachung wehren und Freiheit verteidigen. Denn sie, so die darin verborgene Botschaft, würden irgendetwas aus dem Gleichgewicht bringen. Dabei sind es die Befürworter von flächendeckender Datenspeicherung, von Mautbrückenüberwachung und Festplattenausspähung, die die Balance zerstören – die Balance zwischen bürgerlichen Abwehrrechten und staatlicher Gewalt, die im Grundgesetz verankert ist. Siehe z. B. auch grundrechtsschonend.

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7 Kommentare

  1. “Wer Freiheit für Sicherheit aufgibt, wird beides verlieren!”
    Das Zitat wird oft Thomas Jefferson zugeschrieben, stammt aber – wie die meisten Quellen zeigen – von Benjamin Franklin.
    Inzwischen darf es als gesichertes Wissen gelten, daß durch flächendeckende Internet- und Telefonüberwachung weder “normale” Kriminalität noch Terrorakte verhindert werden.
    So wird die NSA jetzt schon der Datenflut kaum noch Herr.
    Von einer Auswertung kann so keine Rede sein.
    Wie sollten auf diese Weise also Terroristen erkannt werden?
    Die können – gemäß dem Wort von Mao-Tse-Dong: “Der Guerillakämpfer muß sich im Volke bewegen wie ein Fisch im Wasser” – sich folglich unter den Internetusern ebenso bewegen.

  2. Fehler: Fast doppelt so häufig wie im Straßenverkehr (~ 3.400 pro Jahr) sterben in Deutschland Menschen an multiresistenten Keimen in Krankenhäusern (~ 6.000 pro Jahr). Noch mehr bringen sich um, weil sie das Leben nicht mehr ertragen können (und meistens wegen Depressionen; ~ 11.000 pro Jahr).

    Von den rund 73.000 Alkoholtoten und den 110.000 bis 140.000 Toten durch Tabakrauch reden wir mal noch nicht …

    tl;dr: Das Auto ist nicht der Killer Nr. 1 in Deutschland.

  3. Danke für die Zahlen zur Todesstatistik. Aber einen Fehler kann ich nicht entdecken. Mir ging es nicht um Lebensrisiken allgemein, sondern um einen Vergleich, bei dem Menschen aktiv beteiligt sind – bei Keimen etc ist das nicht der Fall. Bei Autos schon, die werden gelenkt. Nicht, dass ich Autofahrer für Terroristen halte, auf keinen Fall. Aber bei Autounfällen ist eben immer jemand anderes aktiv dabei, bei den übrigen Beispielen nicht.
    lg
    k

  4. Wenn “mehr Geld für Turnhallen” (bzw. die Entscheidung, dieses nicht rauszurücken) als durch Menschen verantwortete Ursache für zahlreiche Todesfälle angesehen wird, dann gehört die Weigerung der deutschen Politiker, sich des Hygieneproblems in deutschen Krankenhäusern wirklich anzunehmen, durchaus in die gleiche Kategorie. Das hier Klick ist zwar viereinhalb Jahre alt, aber ich fürchte, dass sich seitdem nicht viel getan hat.

  5. Dass der Gegensatz “Freiheit gegen Sicherheit” falsch konstruiert ist, zeigt sich schon daran, dass zu Zeiten der Regellosigkeit (Mittelalter / IS-Domäne) die Freiheit zunimmt, wenn die Sicherheit zunimmt.

    Was die Sicherheit massiv einschränkt, ist hingegen die Vereinzelung, die den Gemeinsinn schwächt. Und die ist oft auch eine Folge der – von Vertretern der Staatsgewalt natürlich immer angestrebten – totalen Kontrolle mittels Überwachung und Angstmache.

  6. Ich sehe das Problem darin, daß die Begriffe Sicherheit und Schutz vertauscht werden. Sicherheit ist ein Zustand, der kann nicht erschaffen werden, nur die Voraussetzungen des Gelingens können geschaffen werden. Das gilt genauso für Freiheit und Gerechtigkeit, die ebenso nur als Zustand einen Sinn ergeben. Sehr schnell ist dann ersichtlich, daß sich Freiheit, Gerechtigkeit und Sicherheit einander bedingen.
    Wer jedoch allen ernstes GLAUBT, daß Schutz den Zustand Sicherheit erhöhen kann, hat ein Problem mit seiner Logik, denn ein Mensch fordert dann Schutz, wenn es NICHT sicher ist. Schutz und Sicherheit verlaufen umgekehrt proportional.
    Je mehr Schutz gefordert wird, desto geringer ist der Zustand Sicherheit, geringer auch der Zustand Gerechtigkeit und Freiheit.
    Wer Schutz als Maßnahme zur Erhöhung des Zustandes Sicherheit fordert, hat das Problem nicht ansatzweise erkannt. Sein Blick sollte vielmehr die Zustände Gerechtigkeit und Freiheit ins Auge fassen, denn da muß etwas im Argen liegen.
    Das erfordert die Betrachtung von Zusammenhägen, das die heutige formale Ausbildung zur Fachidiotie nicht hergibt, anderst ausgedrückt: Bildungsversagen.

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