Berater

Im Mittelhochdeutschen bedeutete rathen, jemanden mit etwas zu versorgen, ihm Fürsorge angedeihen zu lassen, ihn zu schützen. Bis heute hat sich dieser Sinn erhalten: Das Verb raten wird immer dann gebraucht, wenn jemand einen Rat erteilt, wenn jemand hilft, ohne etwas dafür zu verlangen. Der B. muss demnach ein recht uneigennütziger Mensch sein, der durch die Lande zieht und Menschen unterstützt, wo er nur kann. Ist er aber nicht. Denn ein B. ist entweder jemand, der für exorbitante Honorare dafür sorgt, dass Firmen mehr Gewinn machen, meistens indem sie Mitarbeiter → freisetzen. Oder jemand, der als Versicherungs-B. anderen teure Dinge aufschwatzt, die sie nicht brauchen. In beiden Fällen also ist er eigentlich ein Verkäufer.

Die Betreffenden wissen offensichtlich um das schwierige Ansehen ihres Berufes. Warum sonst sollten sie sich immer wieder mit dem Attribut „unabhängig“ schmücken? Wobei dieses Adjektiv diejenigen, die eine solche Beratung genießen, nur umso stutziger machen müsste. Denn wer erst explizit darauf hinweisen muss, dass er unabhängig ist, ist es wahrscheinlich gerade nicht. Beraten und verraten haben übrigens den gleichen Wortstamm. Aber das nur nebenbei.

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14 Kommentare

  1. Berater – gibt es ein Gewerbe (Beruf will ich es nicht nennen), das zu Recht weitreichender in Verruf geraten ist?

    Ein Bekannter berichtete mir neulich noch, dass auch die Geschäftsleitung des gemeinnützig, christlich orientierten Krankenhauses, in dem er arbeitet, neuerdings Berater angestellt habe. Freundlich lächelnde Herrschaften, die mit maßlos teuren Automobilen vorfahren und dafür sorgen, dass sich die Belegschaft bald schon überhaupt k e i n Auto mehr leisten können wird. Es wird Wasser gepredigt, während die Prediger Wein saufen. Hatten wir das nicht sogar schon bei jenem Kanzler, der uns das Engerschnallen der Gürtel empfahl, während er unsere Sozialsysteme ruinierte? Ganz uneigennützig erklären einem solche Gestalten dann noch, es gehe um das Gemeinwohl…

    Nun, die ersten ‘Ratschläge’ wirken sich dann auch bereits im erwähnten Krankenhaus aus – eben als Schläge von oben nach unten. Wobei man aktuell den Eindruck hat: die Berater erhalten derzeit eben ihre Honorare aus jenem Topf, der aus den ausgesetzten Weihnachtsgeldern der sonstigen Belegschaft gefüllt worden ist. Weihnachtsgelder für knapp 500 Angestellte, die jetzt auf zwei Berater und andere Zuarbeiter verteilt werden. Einer der beiden Gesellen fuhr dann auch schon mit seinem neu erstandenen Luxus-PKW vor. Und der Geschäftsleiter wird über Umwege bedient: er darf nun Vorträge für die Berater halten und erhält über diesen Umweg dann etwas von den weitergereichten Weihnachtsgeldern zurück… Eine Hand wäscht die andere.

    Der Geschäftsleiter versteckt sich derweil hinter den Beratern … und die Berater hinter ihrer vermeintlichen Berufung und der Ausrede, dass sie ja nur ihren Job erledigten – eben das alternativlos Notwendige einleiteten. Ein unmoralisches Trauerspiel, bei dem Barbaren die Zivilisation bekämpfen, während sie sich noch mit ihrem Zierrat ummanteln. Obendrein können sie sich sicher sein, dass sich wenigstens die Leidtragenden zivilisatorisch zu ihrem Nachteil verhalten und die Verbrecher nicht am nächsten Baum aufknüpfen werden.

    Indessen erlebe ich besonders angesichts solcher Beispiele, wie unsere Geselschaft zunehmend in jenes Phänomen abrückt, das früher besonders für den komunistischen Osten galt (und in jedem Unrechts-Regime zu finden ist): die Doppel-Buchführung hinsichtlich der öffentlichen und privaten Gesinnung, der allgemeinen Deutung wie der Handlungen.

    Beratern schüttelt man dann noch wie Parteifunktionären (nichts anderes sind sie innerhalb der neo-liberalistischen Barbarei ja auch) die Hand, während man zugleich weiß, dass sie in der Regel nur Unheil bedeuten. Hinterrücks wird dann noch darüber getuschelt, während man öffentlich hofft, opportunistisch gefällig zu bleiben, um vielleicht noch die Krumen behalten zu dürfen. Eine grausame Entwicklung, die da losgetreten wurde. Eine, bei der jeder Einzelne aufgerufen ist, ihr vehement entgegenzuwirken.

    Was bleibt, ist am Ende weniger ‘Neusprech’, als vielmehr die Erkenntnis: eigentlich wissen alle Leute mittlerweile bescheid…

    Man kann nur hoffen, dass der letzte Funke bald zündet, damit unsere Bürgeschaft wieder ihre Zivilisation verteidigt. Das ‘Berater-Pack’ – wie auch das herangezüchtete Politiker-Gesindel, das ja nicht minder gerne Berater-Posten bekleidet – darf dann auch gerne gesammelt Vollpension auf Kosten der Gesellschaft erhalten. Meinetwegen auch inkl. eines monatlichen Cohiba-Stummels. Hinter Gittern…

  2. Auch diesem Artikel muss ich widersprechen, sogar stärker als dem “überwiegend”. Das eigentliche Problem besteht darin, dass “Berater” heute alles und nichts bedeuten kann. Gerne wird daher der englische Ausdruck “Consultant” verwendet. Die Kritik sollte also daran ansetzen, dass ein Wort inzwischen sinnentleert ist. “Berater” kann sich jeder nennen, ähnlich wie “Journalist”.

    Gegen ein Stichwort “Berater, unabhängige” hätte ich nichts einzuwenden gehabt, denn das ist herrlich schwachsinnig. “Wes Brot ich ess, des Lied ich sing”.

    Der Artikel zielt vor allem auf Berater ab, die Entlassungen anraten und/oder die für viel Geld nichts tun. Es gibt aber auch genügend Berater, die überhaupt nichts mit Personalentscheidungen zu tun haben und die an der Qualität dessen gemessen werden, was sie gemacht haben.

    Berater können Softwareentwickler sein (gerne mit Projektmanagementkenntnissen), die als Externe angestellt werden, z.B. weil man nicht die speziellen Kenntnisse im eigenen Betrieb hat oder sie schneller braucht, als man sie anlernen kann. Berater im guten Sinne geben tatsächlich Rat und sagen nicht, dass alternativlos dies und jenes gemacht werden muss. Sie analysieren eine Situation, entwickeln mehrere mögliche Lösungen und machen dem Auftraggeber Vor- und Nachteile jeder davon deutlich.

    Mir fehlt ansonsten noch der Hinweis auf die historischen Ratgeber, die die Mächtigen hatten. Die lebten auch nicht von Luft und Liebe, sondern davon, dass sie vom Beratenen ihren Lebensunterhalt bekamen.

  3. @Kunar: Stimme ich Dir vollkommen zu. Der Artikel ist einseitig, reitet auf ausgelutschten Vorurteilen rum und ist im Ganzen einfach falsch!

    Ich kenne eine Menge Berater, die einen echt guten Job machen und denen ihre Kunden ausserordentlich dankbar sind. Es geht nämlich nicht nur darum, unverschämte Honorare zu verlangen und Personal abzubauen. Es geht primär darum, Unternehmen in der Umsetzung ihrer Entscheidungen zu unterstützen.

    Dabei kann es sich auch um IT-Berater handeln, ohne die so manches KMU echt alt aussehen würde, weil sie von der Dynamik dieses Themenfeldes schlicht keine Ahnung haben. Und ja, ich gehöre auch zu dieser Spezies. Wenn der Autor schlechte Erfahrungen gesammelt hat, sollte er dieses auch kennzeichnen und nicht wie wild rumtrollen.

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