besorgt

Das Wort Sorge ist verwandt mit dem Englischen sorrow und bedeutete wohl ursprünglich so etwas wie Trauer. Von daher hat es sich, möglicherweise beeinflusst durch sein lateinisches Pendant cura, zu der Bedeutung des Sich-Kümmerns weiterentwickelt, was ja auch von Kummer kommt. Die Ableitung b. (‚mit Sorge versehen‘) hat daher eine durchaus positive Bedeutung. Wer b. ist, macht sich Gedanken und will möglicherweise sogar etwas zum Positiven verändern. Jedoch wird b. leider auch in einem ganz anderen Kontext verwendet: als Euphemismus für fremdenfeindlich, rassistisch oder schwulenfeindlich: b.-e Bürger protestieren gegen Flüchtlinge, b.-e Anwohner gegen Flüchtlingsunterkünfte in ihrer Nähe, wobei nicht sicher ist, ob alle „Anwohner“ wirklich dort wohnen, wo sie protestieren. Worum sie sich eigentlich sorgen, bleibt ebenso unklar. Um das Schicksal der Flüchtlinge jedenfalls nicht. B.-e Eltern protestieren gegen das Thema Homosexualität im Unterricht, wobei auch hier nicht sicher ist, ob alle Protestierenden schulpflichtige Kinder haben und welche Sorgen sie sich da im Einzelnen machen. Hier soll verschleiert werden, dass es sich um schwulenfeindliche Proteste handelt. Wer b. in diesen Zusammenhängen verwendet, will hässliche Vorurteile rechtfertigen, ja sie zu etwas Positivem umdeuten. Was hoffentlich nicht gelingt. Ein Zeichen dafür ist, dass b. durch die häufige Verwendung in solchen Kontexten eine negative Konnotation bekommt: Wer b. ist, wirkt nun auf jeden Fall unsympathisch.

Schöngeredet (2)

Ein paar Links der vergangenen Tage:

„Hilfsprogramm“ für Griechenland? Möglicherweise hilft das Geld kurzfristig, eigentlich ist es aber ein Kredit. Der kostet. Die „Hilfe“ ist also eher ein Danaergeschenk. Wie ein mit Blei beschwerter Rettungsring.

„Rekapitalisierung“? Aus der gleichen Rede von Wolfgang Schäuble wie das obige Gruselwort. Die R. hatten wir schonmal. Auch sie ist nur eine Umschreibung für noch mehr Schulden.

„Rettungsmilliarden“? Hier wird nicht milliardenfach gerettet. Hier wird wieder nur ein Kredit schöngeredet – und der Text zeigt deutlich, was die griechische Regierung damit macht: ältere Kredite bezahlen. Das rettet sie nicht, das verlängert nur das Leiden.

„Sofortzahlung“? Geld, ganz schnell? Nein, ein Kredit, der erst nach langen Verhandlungen gezahlt wurde. Und der einem Land gewährt wird, das längst „überschuldet“ ist, also bereits so viele Schulden hat, dass es sie nicht mehr zurückzahlen kann.

Worte, klare

Politische Phrase, die eingesetzt wird, um eine andere Phrase zu verstärken. Wenn jemand ankündigt, dass nun klare W. folgen, kann davon ausgegangen werden, dass das Folgende nichtssagend ist. Würde das Gesagte eine starke oder auch nur eine eindeutige Aussage enthalten, wäre die Betonung, dass diese Äußerung klar sei, überflüssig. Daher sind die klaren W. vor allem ein Beweis für die inhaltliche Leere politischer Sprache. Vgl. auch die Forderung, jemand solle Farbe bekennen. Wären der- oder diejenige eindeutig einer Farbe zuzuordnen, müssten sie sich nicht zu irgendetwas bekennen. Unzweideutige Aussagen führen dazu, dass jedem Zuhörer nur die Wahl bleibt, ihnen zuzustimmen oder sie abzulehnen. Das will Politik vermeiden, denn es droht die Gefahr, damit bei irgendjemandem anzuecken. So aber könnte sich die Zahl derjenigen verringern, die einen wählen. Der Versuch, möglichst vielen zu gefallen, ohne irgendwen zu verärgern, führt zu absurden Foskeln wie den klaren W-n. Siehe auch: Eckpunkte

Kontrollmittel, zukunftsfähiges

Das von Gegnern der Technik geprägte Wort Nacktscanner durch ein anderes zu ersetzen (Körperscanner, Sicherheitsscanner …), ist gründlich misslungen. Somit bleiben viele Menschen zum Glück skeptisch, wenn am Flughafen ihre Privatsphäre verletzt werden soll. Die Bundesregierung versucht sich nichtsdestotrotz weiter in Vernebelung und hält diese Form der Durchleuchtung für ein „mildes“, ja sogar für ein „zukunftsfähiges K.“ Während „mild“ ganz klar zur Abschwächung des bedeutungsleeren und nicht unbedingt positiv konnotierten Wortes K. dient, ist „zukunftsfähig“ geradezu verräterisch: Was zukunftsfähig ist, ist hoffentlich nicht morgen schon veraltet. In Bezug auf die Nacktscanner drückt sich darin vor allem die Hoffnung der Betreiber aus. Denn kritisiert werden sie noch immer. Sie zeigen einerseits nicht alles Versteckte, andererseits aber immer auch Dinge, die privat bleiben sollten wie beispielsweise medizinische Hilfsmittel oder Körperschmuck. Während Nacktscanner wahrscheinlich immer effizienter werden und mehr Verstecke finden können, ist das Problem der verletzten Privatsphäre mit ihnen nicht lösbar. An der Zukunftsfähigkeit von Nacktscannern darf also gezweifelt werden – zumindest solange das Recht auf Privatsphäre relevant bleibt.

„Wir können im Leistungsbereich auch unter Wahrung der Menschenwürde doch einiges tun.“

Dass Politiker etwas tun können und auch sollten, ist unstrittig. Im obigen Zitat von Innenminister Thomas de Maizière ist allerdings nur aus dem Kontext zu erkennen, was er tun will: Asylbewerbern sollen Leistungen gekürzt werden. Genauer: Sie sollen weniger „Taschengeld“ erhalten. Grund ist die unbewiesene Annahme, dass weniger Asylbewerber nach Deutschland kommen, wenn der Staat ihnen weniger Bargeld gibt. Kurz zur Erläuterung: Das „Taschengeld“ für eine Person beträgt derzeit maximal 143 Euro pro Monat – weil das Bundesverfassungsgericht das gefordert hatte. Die Richter hatten geurteilt, dass weniger nicht geht, weil dann ein Leben in Würde nicht mehr gewährleistet ist. Nun hat sich das Innenministerium ausgedacht, dass Menschen weniger Geld brauchen, wenn man ihnen mehr Kleidung und Essen zur Verfügung stellt. Also hätte der Bundesminister sagen müssen: „Wir können die Leistungen unter Wahrung der Menschenwürde um einiges kürzen.“ Das klingt dann aber sehr negativ, das vage „im Leistungsbereich … einiges tun“ klingt besser. Die Vagheit entsteht – wie so oft bei Nebelsprech – durch ein unspezifisches Kompositum („Leistungsbereich“) und durch ein Passe-Partout-Verb („tun“). Auffällig ist hier auch die Verwendung von gleich zwei Partikeln, um Konzessivität (also eine Einräumung) auszudrücken: _auch_ und _doch_. Unauffälliger wäre es gewesen, wenn der Minister wenigstens einen Partikel weggelassen hätte. Sprachlich zumindest ist weniger oft mehr. Bei der Menschenwürde allerdings geht nicht weniger, denn das „Taschengeld“ ist eben nicht für Kleidung und Essen gedacht, sondern damit Asylbewerber beispielsweise telefonieren oder mit dem Bus fahren können. Innenminister de Maizière wusste also wahrscheinlich, was er tat, als er seine geplante Tat so unspezifisch beschrieb.