beschäftigt, geringfügig

Wir sind beschäftigt, wenn uns etwas zu schaffen macht, wenn wir mit einer Sache gut zu tun haben, ja wenn wir uns geradezu ausgelastet fühlen. Diese Bedeutung ist auch hier durchaus angestrebt – um zu kaschieren, dass die entsprechende Tätigkeit gerade nicht auslastet. Und so lautet die umgangssprachliche Bezeichnung für diese Art der Arbeit denn auch treffender Minijob. Doch ist der Ausdruck noch auf einer anderen Ebene falsch. Denn es ist nicht eine bestimmte Menge an Arbeit gemeint, wie die Bezeichnung nahe legt, sondern eine bestimmte und sehr geringe Menge an Geld. Laut Sozialgesetzbuch liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn das „Arbeitsentgelt (…) im Monat 400 450 Euro nicht übersteigt“. Und zwar unabhängig davon, wie lange der Betroffene dafür schuften muss. Also sind eigentlich jene gemeint, die für ihre Mühen mies bezahlt werden. Was den Begriff nicht nur zum Euphemismus macht, sondern auch unfreiwillig entlarvend: Er rückt damit nämlich in die Nähe der zweiten möglichen Wortbedeutung: Denn für beschäftigt gibt es im Deutschen nicht nur eine aktive Verwendung, es kann auch passiv eingesetzt werden: So werden Kinder beschäftigt, damit sie sich nicht langweilen. Es geht somit darum, Menschen etwas tun zu lassen, was wie Arbeit aussieht, diese Bezeichnung im Sinne von Beruf aber nicht verdient.

Dieser Text erschien zuerst in unserem Buch „Sprachlügen: Unworte und Neusprech von ,Atomruine‘ bis ,zeitnah‘“.

Fähigkeitslücke (II)

Stellen Sie sich vor, Sie sind als Minister zuständig für die Armee und wollen todschicke Waffen anschaffen. Nun sind diese aber leider aus ethischen Gründen umstritten. Beispielsweise weil irgendwelche Leute, die Sie natürlich im Zweifel als → Fortschrittsverweigerer bezeichnen können, fürchten, damit würde das Töten anonymer und letztlich ein Krieg ohne Verantwortliche möglich. Was tun? Der beste Weg ist, den Eindruck zu erwecken, als gäbe es schon lange ein gefährliches Problem und nur diese ferngesteuerten Waffen unbemannten Luftfahrtsysteme könnten es lösen. Genau dazu eignet sich die F., wie es Verteidigungsminister Thomas de Maizière hier vorbildlich demonstriert. Denn Lücken müssen selbstverständlich geschlossen werden. Noch dazu, wenn man doch bereits zu so Vielem fähig ist und nur diese eine kleine Lücke noch fehlt am Glück (vgl. → Schutzlücke). Dass der Gegenstand – es geht immerhin ums Töten –, nur als nicht näher definierte Fähigkeit beschrieben wird, macht den Ausdruck herrlich schwammig, Verzeihung, vielseitig einsetzbar. “Was sagen Sie? Das angebliche Problem existiert überhaupt erst, seit eine Lösung dafür präsentiert werden kann? Ach, das ist doch kleinkariert.

Vielen Dank an @Apocasparica für das Video. Und bitte nicht wundern, wir haben schon einmal über die F. geschrieben. Aufgrund ihrer ungebrochenen Beliebtheit fanden wir aber, wir könnten das getrost noch einmal tun.

Bedenken, massivste

Massiv ist vor allem im Zusammenhang mit eben jenen B. ein in der Politik gern genutztes Synonym für stark oder heftig. Durch seine massive Verwendung verliert es allerdings an Expressivität und muss, soll es weiter für Aufmerksamkeit sorgen, gesteigert werden. Wenn massive B. also niemanden mehr beeindrucken, dann haben Politiker eben massivste B. gegen einen Vorschlag – eine sprachlich unmögliche Steigerung, eine sogenannte Hyperbel. Siehe auch → Kriminalität, schwerste. Denn massiv stammt vom französischen massif ab und bedeutet ‚dicht, voll‘. Ein Gegenstand ist aus massivem Gold, wenn er durch und durch aus diesem Metall besteht. Mehr geht nicht. Trotzdem ist dieser sprachliche Unsinn immer zu hören, wenn jemand seine angeblichen Zweifel an einer Sache betonen will. Allerdings sind diese Zweifel nie groß genug, als dass der oder die Betreffende im Parlament dann auch gegen den zur Diskussion stehenden Vorschlag stimmen würde. Weswegen sie offensichtlich das Bedürfnis haben, zumindest sprachlich darauf hinzuweisen, dass ihnen die Zustimmung schwer fiel. Umgangssprachlich heißt das Phänomen auch „die Faust in der Tasche“. Siehe auch → Vertrauen, vollstes.

Dieser Text erschien zuerst in unserem Buch „Sprachlügen: Unworte und Neusprech von ,Atomruine‘ bis ,zeitnah‘“

Kriminalität, schwerste

Beispiel für eine sinnlose Steigerung über das plausible Maß hinaus, eine sogenannte Hyperbel. Kriminalität ist schon schlimm, niemand mag schließlich gern bestohlen oder betrogen werden. Politikern genügt jedoch die durchaus vorhandene Angst vor „normaler“ Kriminalität offensichtlich nicht, wenn sie Eingriffe in Freiheiten und Rechte der Bürger zu rechtfertigen versuchen. Selbst eine schwere Kriminalität reicht dafür anscheinend nicht mehr, es muss schon eine schwerste K. sein, um zu erklären, warum es unbedingt eine → Mindestdatenspeicherung braucht. Einerseits belegt das, wie dringend sich der Staat solche Überwachungsinstrumente wünscht. Andererseits zeigt es aber auch, wie unsinnig die ganze Forderung ist. Denn da die schwere Kriminalität, auch Verbrechen genannt, bereits Taten wie Mord, Vergewaltigung oder Herbeiführung einer Explosion durch Kernenergie umfasst, ist es schwer, sich eine schwerste K. überhaupt vorzustellen. Angesichts der Verfehlungen, bei denen diese Instrumente dann tatsächlich eingesetzt werden sollen, lässt sich nur noch konstatieren, dass bei dem einen oder anderen Politiker eine schwere Verschiebung des Rechtsbewusstseins stattgefunden haben muss. Anders ist nicht zu erklären, warum beispielsweise das Bundeskriminalamt wünscht, mit unseren ohne Verdacht gespeicherten Kommunikationsdaten, gemeinhin → Vorratsdatenspeicherung genannt, auch das illegale Herunterladen von Filmen und Musik zu verfolgen. Das zeigt, wie problematisch Hyperbeln sind und wie gefährlich es ist, seinen Wählern ständig Angst machen zu wollen, um ihnen härtere Gesetze zu verkaufen. Die normale und die schwere Kriminalität mussten schon so oft als Rechtfertigung herhalten, dass sie nicht mehr als Schreckensbild taugen. Was aber kommt nach der schwersten K., die überschwerste, die brutalstmögliche, die unvorstellbare? Wir werden es wohl leider bald erfahren.

Dieser Text erschien zuerst in unserem Buch „Sprachlügen: Unworte und Neusprech von ,Atomruine‘ bis ,zeitnah‘“

Problembesucher

Wer das Wort zum ersten Mal hört, denkt sicher an den Problembären und liegt damit gar nicht so falsch. Auch der war ein P., in einem anderen Kontext, dem bayerischen Wald. Und beim Kontext zeigt sich gleich das erste Problem mit dem P.: Wer hier wen besucht und wer für wen ein Problem ist, erschließt sich nur aus eben diesem Zusammenhang: Bei unserem P. geht es um Besucher in einem Fußballstadion, um Fußballfans – wenn sie Probleme machen, auch Hooligans genannt. Aber genau dieses Wort soll offensichtlich vermieden werden. So entstand der P., ein Nebelbegriff. Denn beide Wortbildungselemente sind unklar und haben – linguistisch gesprochen – eine große Extension, also einen weiten Anwendungsbereich. Außerdem impliziert der Ausdruck, dass etwas getan werden muss, denn Probleme gehören gelöst. Siehe Problembär, der wurde erschossen. Gegen P. soll nicht ganz so rabiat vorgegangen werden, allerdings erscheint die verdachtsunabhängige Erfassung und Überwachung von Fußballfans, die unter anderem mit den P.-n gerechtfertigt wird, auch nicht so wirklich verhältnismäßig. Siehe → Gefährder, potenzieller und → Verbunddatei (Rechtsextremismus).