Trennbank

Politik kann versuchen, Probleme zu lösen. Das dauert gern Jahrzehnte. Der beliebtere, weil schnellere Weg ist daher, Probleme irgendwo anders hin zu schieben. Die T. verschiebt ein Problem in der Hoffnung, dass es dort nicht mehr so unangenehm auffällt. Das „Gesetz zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen (RiskAbschG)“ wurde 2013 verabschiedet und ist am 31. Januar 2014 endgültig in Kraft getreten. Es fordert, dass Banken ab einer gewissen Größe ihr Investmentgeschäft ihre Zockerabteilungen ausgliedern müssen. Den Teil also, der besonders hohe Risiken eingeht und damit wenigen Menschen große Gewinne verschafft, der jedoch gern auch mal Unsummen vernichtet. Das gesparte Geld der normalen Kunden soll damit sicher sein, da es von der Bank nicht mehr verwendet werden kann, um die Verluste der Börsenwetten in der Bilanz auszugleichen. Nur leider wird damit das Zocken nicht begrenzt oder gar untersagt, es wird lediglich in einen eigenen Bereich verlagert. Dealen ist übel, na gut, dann verkaufen wir das Kokain nicht mehr in der Apotheke selbst, sondern eben auf der Straße … Kann man machen. Nutzt aber nicht viel. Lehman Brothers war eine reine Investmentbank, normale Sparer gab es dort nicht. Nach dem neuen Modell wäre sie eine T., weil getrennt vom Geldverleihgeschäft. Aber was nützt das, wenn die Spekulationssummen so riesig sind, dass sie ganze Volkswirtschaften ruinieren? Es wird suggeriert, die Spareinlagen seien sicher. Mag sein, die Steuern sind es aber nicht. Und mit denen werden die Verluste der Zocker auch weiter bezahlt. Das zumindest hat die Große Koalition in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Dort steht, eine „direkte Bankenrekapitalisierung“ könne „als letztes Instrument einer Haftungskaskade infrage kommen“. Bankenrekapitalisierung? Da war doch was. Die Wortschöpfung T. ist Neusprech für Zockerinstitute, eine potenzielle Vorstufe der → Bad Bank und hilft beim Verringern von Risiken genauso viel wie Trennkost beim Abnehmen. Siehe auch → Bankenabgabe.

bekennen, sich

In politischen Texten wie zum Beispiel in Koalitionsverträgen, grassiert derzeit ein ungewöhnlich verwendetes Verb: sich zu etwas b. Das hat etwas Religiöses, denn in der Regel bekennt sich jemand zu einem Glauben. Gelegentlich kann sich jemand auch zu einem Verbrechen oder einer Farbe b., immer aber hat ein solches Bekenntnis mehr oder weniger unangenehme Folgen, sonst ist es keines: Denn es geht darum, zu zeigen, wer oder was man wirklich ist, also die Wahrheit zu sagen und daraus entstehende Nachteile in Kauf zu nehmen. Wer sich zu einer Religion bekennt, kann als Märtyrer oder im günstigeren Fall als Kirchensteuerzahler enden, wer sich zu einem Verbrechen bekennt, muss für gewöhnlich ins Gefängnis, und wer Farbe bekennt, muss sagen, was er denkt. In der Politik ist es allerdings – wie so oft – anders: Dort hat ein Bekenntnis keine Folgen. Es ist nur ein Synonym für: „finden wir auch irgendwie gut“. Sprachwissenschaftlich heißt das Phänomen: „bleaching“, also ‚Ausbleichung‘. Eine ursprünglich expressive Bedeutung wie eben das religiöse Bekenntnis mit anschließend möglichem Martyrium wird zu einer bedeutungslosen Floskel, klingt toll, heißt aber wenig.

Ersatz

Das Deutsche ist nicht sehr erfolgreich damit, Fremdwörter in andere Sprachen zu exportieren. Ein Begriff jedoch hat es weit gebracht, ausgerechnet einer aus einer auch sprachlich armen Zeit: der E. Er schaffte es unter anderem ins Französische, Englische, Spanische, Portugiesische, Russische und ins Ukrainische. Deutschland selbst wurde in dieser Zeit immer reicher und zumindest das Ersatzlebensmittel kam hierzulande aus der Mode. Doch neuerdings wird der E. auch hier wieder gern genommen, zumindest im Bahnsprech: Berlinern dürfte der Schienenersatzverkehr ein leidvoller Begriff sein, der eine nicht ganz korrekte Bezeichnung ist. Denn nicht die Schienen werden ersetzt, sondern der Schienenverkehr, der auf die Straße verlagert wird. Noch irrer treibt es die Deutsche Bahn im Fernverkehr: Dort fahren so genannte E.-züge, die – und jetzt kommt’s – gar keine Züge ersetzen. Der E.-Zug fährt zu einer Zeit, zu der sonst gar nichts führe: Die Bahn hat nämlich zu wenig rollendes Material: Weil sie zu wenig bestellte, noch weniger geliefert wurde und das auch noch verzögert. Um die Lücken im Fahrplan zu füllen, fahren nun alte, sehr viel schlechtere Züge. Ersetzt wird dabei nichts, da dort vorher nichts existierte. Der E. gaukelt vor, die Bahn sei eigentlich prima ausgestattet und habe nur gerade jetzt ein kleines Problem. Dabei ist das Problem viel größer und sicher nicht so bald behoben.

Gefahrengebiet

Die Hamburger Polizei hat in mehreren Vierteln der Stadt eine Art Kriegsrecht verhängt. Verzeihung, wir haben uns im Ton vergriffen, sie hat natürlich ein G. eingerichtet. Die Auswirkungen sind allerdings ähnlich: grundlose Ausweiskontrollen und Durchsuchungen, Platzverweise wegen Nichtigkeiten, Generalverdacht, Versammlungsverbot, keine rechtsstaatliche Kontrolle der Schikanen. Begründet wird diese Verletzung von Grundrechten mit einem Hamburger Polizeigesetz. Dort heißt es: „Die Polizei darf im öffentlichen Raum in einem bestimmten Gebiet Personen kurzfristig anhalten, befragen, ihre Identität feststellen und mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen, soweit auf Grund von konkreten Lageerkenntnissen anzunehmen ist, dass in diesem Gebiet Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden und die Maßnahme zur Verhütung der Straftaten erforderlich ist.“ Nebenbei: „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ sind ein wunderbar schwammiger Begriff, über den Juristen trefflich streiten. Hier waren es übrigens auf Polizisten geworfene Steine. Berlin-Kreuzberg müsste demnach große Teile des Jahres zum G. erklärt werden, aber lassen wir das. Der Ausdruck ist interessant genug. Sprachlich gesehen entsteht ein G. erst, indem es zu einem solchen erklärt wird – siehe die willkürlich von der Polizei gezogenen Grenzen. In der linguistischen Pragmatik spricht man in so einem Fall von einem perlokutiven Sprechakt: Etwas geschieht dadurch, dass es gesagt wird. Es soll eine Wirkung erzeugt werden. Neusprech wird ja gern dazu verwendet, um Bedrohungen zu verharmlosen. Daher müsste die Gegend um die Rote Flora eigentlich Sicherheitszone heißen. Die Hamburger Polizei will aber nicht verharmlosen, sie will offensichtlich aufbauschen, das G. soll bedrohlich klingen. Warum? Wohl um eine Rechtfertigung dafür zu haben, dass dort die Grundrechte außer Kraft gesetzt wurden und nun ein Ausnahmezustand gilt. Doch stellt sich die Frage, wie die Pflicht, einen Personalausweis vorzulegen verhindern soll, dass Polizisten mit Steinen beschmissen werden. Immerhin besteht zwischen den Zuständen „Ausweis vorlegen“ und „Steine aufheben“ nicht gerade ein ursächlicher Zusammenhang. Es ist auch unwahrscheinlich, dass sich die deutsche Polizei auf die vage Hoffnung verlässt, potenzielle Steineschmeißer würden von ihrem Vorhaben allein deswegen abgeschreckt, weil sie Identitätspapiere mitzuführen haben – beziehungsweise dass die Polizei glaubt, jemand, der Menschen mit Steinen bewerfen will, wäre gleichzeitig so rechtstreu, den geforderten Ausweis bei sich zu tragen. Bleibt also nur eine Schlussfolgerung: Die Ausweispflicht und die Feststellung der Identität dienen als Vorwand, um mal nach Herzenslust jeden ohne Grund durchsuchen und allen so richtig die Harke zeigen zu können. Das soll Stärke demonstrieren. Dabei wirkt es einfach nur hilflos und ist ein Beleg dafür, wie riskant die sogenannte Gefahrenabwehr ist. Siehe auch Schleierfahndung.

Schleierfahndung

Ein Schleier dient dazu, etwas zu verbergen – zu verschleiern eben, vor allem ein Gesicht oder einen anderen Körperteil. Das Wort ist in vielen germanischen Sprachen zu Hause und geht möglicherweise auf einen orientalischen Ausdruck zurück. Die S. hat mit einem Schleier erst einmal nichts zu tun. Die damit bezeichneten Gesetze erlauben es Polizisten der Bundespolizei und Polizisten in einigen Bundesländern, jeden Menschen ohne Verdacht und ohne Anlass anzuhalten und seine Identität festzustellen. Das klingt solange nicht schlimm, bis man sich anschaut, was sie dazu alles dürfen: Sie dürfen nach dem Ausweis fragen, aber sie dürfen die Person auch festhalten und gar in Gewahrsam nehmen, sie dürfen Fingerabdrücke abnehmen und nach besonderen Merkmalen suchen und sie dürfen den Betroffenen oder die Betroffene vollständig durchsuchen und alles, was dabei gefunden wird, gegen ihn oder sie verwenden – selbstverständlich gegen den Willen des Schleierverdächtigen und auch mit Zwang, also mit Gewalt. Wie gesagt, alles ohne Anlass, es genügt ein „Verdachtsschleier“ – was immer das sein soll. Begründung: Das sei unerlässlich, um „international operierende Verbrecherbanden“ bekämpfen zu können, schließlich gebe es ja keine Grenzkontrollen mehr. Drei Landesverfassungsgerichte haben sich schon vor Jahren mit der S. beschäftigt. Selbst das Bayerische Gericht forderte Einschränkungen bei dieser Art der Freiheitsberaubung. Geändert hat sich nichts, die S. ist längst die Regel. Schleierhaft ist auch, warum dabei von Fahndung die Rede ist, wo doch gar nicht gefahndet wird. Schließlich gibt es ganz im Gegensatz zur → Rasterfahndung keinen Verdacht und keinen Sachverhalt, der aufgeklärt werden soll. Es werden keine Taten verfolgt, sie sollen – wie bei allen Überwachungsgesetzen neueren Datums – verhindert werden, bevor sie geschehen. Das ist eine Suche auf gut Glück, bei der Menschen gerne allein deswegen schikaniert werden, weil sie fremd aussehen und bei der jeder zum Verdächtigen wird. Der Ausdruck S. lässt dabei offen, ob hier Bösewichte entschleiert, oder ob umstrittene Überwachungen verschleiert werden sollen. Die Fakten sprechen für das Letztere. Denn die S. hat weder etwas mit Fahndung noch mit Schleiern zu tun und vernebelt, dass hier Menschen grundlos durchsucht und ihrer Freiheit beraubt werden.