Experte

Es gibt Wörter, die streuen wir in unsere Sätze ein, obwohl sie keinen tieferen Sinn haben. Sie sollen lediglich über Lücken im Text hinweghelfen und dabei ein kuscheliges Gefühl vermitteln. In der Linguistik werden sie, eben weil sie überall stehen könnten, Passepartoutwörter genannt (französisch für passer ‚hindurchgehen‘ und partout ‚überall‘). Der E. ist ein solches Füllwort. Einst war damit mal jemand gemeint, der überdurchschnittlich viel von einem Gebiet versteht, der darin also erprobt ist, auf lateinisch expertus. Inzwischen allerdings wird der E. vor allem von Medien als Titel für all die Menschen verwendet, die entweder keine anständige Berufsbezeichnung haben oder deren Beruf so kompliziert ist, dass er nicht in die dreißig Zeichen langen Untertitel auf dem Bildschirm passt. So werden diese dann zum Beispiel zu Internet-E., Terrorismus-E. oder Wirtschafts-E., gelegentlich auch hochgeschwurbelt durch den Zusatz ,führende‘. Das klingt kompetent und soll darüber hinwegtäuschen, dass der Betreffende auch nicht mehr über die Situation weiß, als die Moderatoren und die Zuschauer. Denn seit Massenmedien allein in Deutschland täglich gefühlte dreihundert E.-n verheizen, um die komplizierte Welt zu erklären, werden sie knapp. Insofern ist der Begriff längst Medienneusprech und steht nicht mehr für einen Fachmann, sondern für ‚irgendjemanden, der bereit war, mit uns über diesen Unsinn zu reden‘. Oder, wie der Medien- und/oder Internetexperte Stefan Niggemeier in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ schrieb: „Wer solche Experten kennt, braucht keine Laien.“

Dieser Text erschien zuerst in unserem Buch „Sprachlügen: Unworte und Neusprech von ,Atomruine‘ bis ,zeitnah‘“

berufsqualifizierend

Wie gut klingt es, wenn ein Studienabschluss b. ist! Leider stimmt es nicht, jedenfalls nicht im Wortsinn, denn ein Studienabschluss wie der Bachelor qualifiziert nicht für einen Beruf, sondern qualifiziert eher allgemein, so dass man danach einen Beruf erlernen kann, für den mehr als nur das Abitur benötigt wird. Treffender wäre also die Bezeichnung einstellbar. Und siehe da: b. ist die deutsche Übersetzung für englisch employable, was in der Tat nicht mehr und nicht weniger heißt als ‚einstellbar‘. Das englische Wort wird daher auch im Deutschen gern als Ersatz für b. verwendet. Dummerweise ist der Gebrauchskontext und damit die genaue Bedeutung in Großbritannien aber eine andere: Dort wird es nämlich im Bereich von Sozialmaßnahmen für Jugendliche verwendet, die eben weil sie psychisch oder sozial auffällig sind, nicht einstellbar sind. Da sind wir dann wieder weit vom deutschen Hochschulwesen weg, denn bei aller Kritik wird niemand ein Bachelorstudium als psychisch-soziale Maßnahme ansehen.

Dieser Text erschien zuerst in unserem Buch „Sprachlügen: Unworte und Neusprech von ,Atomruine‘ bis ,zeitnah‘“

Exzellenzinitiative

Neusprech ist die Kunst, von Schwächen abzulenken, oder noch besser, sie als Stärken zu verkaufen. Besonders funkelnde Wörter sollten daher stutzig machen. So wie die E., sie gleißt geradezu: Exzellent sind nur überragend gute Dinge. Eine Initiative außerdem ist entweder ein Anstoß, der Beginn von etwas Neuem. Oder sie ist, wie in Bürgerinitiative, ein Zusammenschluss von Vielen, um gemeinsam ein höheres Ziel zu erreichen. Was also will die E.? Soll sie ein erster Schritt sein, um zu erreichen, dass deutsche Universitäten wahnsinnig gut werden? Oder soll sie diverse, in ihren Fachgebieten führende Forscher zusammenbringen, damit sie gemeinsam etwas Neues, noch nie Dagewesenes schaffen? Der Begriff selbst verrät es nicht. Was unter Umständen die Absicht seiner Erfinder war. Denn wer sich die Idee der E. anschaut, kommt schnell dahinter, dass es hier um etwas anderes geht, um Mangelverwaltung. 1,9 Milliarden Euro hatte der Staat übrig und wollte damit die Universitäten vier Jahre lang fördern. Bekäme jede Hochschule etwas, beschränkte sich die Förderung auf ein paar neue Drucker und vielleicht noch hier und da eine Mikrofonanlage für den Hörsaal. Da das nicht sonderlich funkelt und nicht zum Angeben taugt, entstand bei Politikern die Idee der E.: Wenige bekommen viel und sehen damit gut aus, der Rest soll sehen, wo er bleibt. Verzeihung, die anderen sollen das natürlich als Ansporn betrachten. Das hat den Vorteil, dass sich mit den Auserwählten prima protzen lässt. Auch wenn es in der Summe natürlich noch immer nicht viel bringt, schon gar nicht für alle. Zu wenig Geld ist eben zu wenig Geld, egal, wie es verteilt wird. Siehe auch → Leuchtturmprojekt.

Dieser Text erschien zuerst in unserem Buch „Sprachlügen: Unworte und Neusprech von ,Atomruine‘ bis ,zeitnah‘“.

beschäftigt, geringfügig

Wir sind beschäftigt, wenn uns etwas zu schaffen macht, wenn wir mit einer Sache gut zu tun haben, ja wenn wir uns geradezu ausgelastet fühlen. Diese Bedeutung ist auch hier durchaus angestrebt – um zu kaschieren, dass die entsprechende Tätigkeit gerade nicht auslastet. Und so lautet die umgangssprachliche Bezeichnung für diese Art der Arbeit denn auch treffender Minijob. Doch ist der Ausdruck noch auf einer anderen Ebene falsch. Denn es ist nicht eine bestimmte Menge an Arbeit gemeint, wie die Bezeichnung nahe legt, sondern eine bestimmte und sehr geringe Menge an Geld. Laut Sozialgesetzbuch liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn das „Arbeitsentgelt (…) im Monat 400 450 Euro nicht übersteigt“. Und zwar unabhängig davon, wie lange der Betroffene dafür schuften muss. Also sind eigentlich jene gemeint, die für ihre Mühen mies bezahlt werden. Was den Begriff nicht nur zum Euphemismus macht, sondern auch unfreiwillig entlarvend: Er rückt damit nämlich in die Nähe der zweiten möglichen Wortbedeutung: Denn für beschäftigt gibt es im Deutschen nicht nur eine aktive Verwendung, es kann auch passiv eingesetzt werden: So werden Kinder beschäftigt, damit sie sich nicht langweilen. Es geht somit darum, Menschen etwas tun zu lassen, was wie Arbeit aussieht, diese Bezeichnung im Sinne von Beruf aber nicht verdient.

Dieser Text erschien zuerst in unserem Buch „Sprachlügen: Unworte und Neusprech von ,Atomruine‘ bis ,zeitnah‘“.

Fähigkeitslücke (II)

Stellen Sie sich vor, Sie sind als Minister zuständig für die Armee und wollen todschicke Waffen anschaffen. Nun sind diese aber leider aus ethischen Gründen umstritten. Beispielsweise weil irgendwelche Leute, die Sie natürlich im Zweifel als → Fortschrittsverweigerer bezeichnen können, fürchten, damit würde das Töten anonymer und letztlich ein Krieg ohne Verantwortliche möglich. Was tun? Der beste Weg ist, den Eindruck zu erwecken, als gäbe es schon lange ein gefährliches Problem und nur diese ferngesteuerten Waffen unbemannten Luftfahrtsysteme könnten es lösen. Genau dazu eignet sich die F., wie es Verteidigungsminister Thomas de Maizière hier vorbildlich demonstriert. Denn Lücken müssen selbstverständlich geschlossen werden. Noch dazu, wenn man doch bereits zu so Vielem fähig ist und nur diese eine kleine Lücke noch fehlt am Glück (vgl. → Schutzlücke). Dass der Gegenstand – es geht immerhin ums Töten –, nur als nicht näher definierte Fähigkeit beschrieben wird, macht den Ausdruck herrlich schwammig, Verzeihung, vielseitig einsetzbar. “Was sagen Sie? Das angebliche Problem existiert überhaupt erst, seit eine Lösung dafür präsentiert werden kann? Ach, das ist doch kleinkariert.

Vielen Dank an @Apocasparica für das Video. Und bitte nicht wundern, wir haben schon einmal über die F. geschrieben. Aufgrund ihrer ungebrochenen Beliebtheit fanden wir aber, wir könnten das getrost noch einmal tun.