Unsere Sprache kennt für viele Dinge kraftvolle und eindeutige Ausdrücke. Bei einem Abriss, um ein nicht ganz zufällig gewähltes Beispiel zu nennen, weiß wahrscheinlich jeder sofort, was gemeint ist. In manchen Zusammenhängen sind solche Ausdrücke aber offenbar nicht von allen Beteiligten gewünscht. Beispielsweise bei Atomkraftwerken. Abriss klingt den betreibenden Unternehmen wahrscheinlich zu staubig und zu hastig, weswegen sie angesichts der durchaus heiklen Aufgabe lieber vom R. sprechen und schreiben. Ist es doch ein viele Jahre dauernder und aufwändiger Prozess, ähnlich einem Aufbau und soll daher auch so klingen. Bauen wird positiv verstanden, da dabei etwas geschaffen wird. Ein R. nutzt diese Konnotation, um planmäßiger, geordneter und weniger brachial zu wirken. Gleichzeitig legt der Begriff nahe, dass das Bauwerk, das abgerissen wird, nur provisorisch dort gestanden habe und nun endlich zum Ursprungszustand zurückgekehrt werde. Technisch mag das stimmen, inhaltlich bleibt es aber ein Abriss, denn auch beim R. wird das Bauwerk letztlich beseitigt. Dass der R. ein politischer Begriff ist, zeigt sich gerade deutlich an dem kleinen Dorf Lützerath in Nordrhein-Westfalen. Das soll abgerissen, Verzeihung, rückgebaut werden, wie das Energieunternehmen RWE schreibt, damit riesige Bagger die Kohle unter dem Ort aus der Erde holen können, um sie anschließend zu verbrennen. Dagegen gibt es aus vielen guten Gründen Proteste, weswegen RWE diesen Zusammenhang in bestes Neusprech verpackt und schreibt: Lützerath solle „anschließend bergbaulich in Anspruch genommen“ werden. Das Inanspruchnehmen ist dabei allerdings so gründlich, dass nicht nur das Dorf selbst abgerissen wird, sondern viele Meter Erde unter ihm mitverschwinden werden. Hier von einem R. zu sprechen und damit zu suggerieren, dabei werde ein ursprünglicher Zustand wiederhergestellt, ist eine Frechheit.
Mit Dank an Sabine S. für den Hinweis.