Von der Deutschen Post genutztes Unsinnswort. Ein Dialog ist ein Gespräch, ist Rede und Gegenrede und damit gegenseitiger Austausch. Die D. hingegen bezeichnet Werbebriefe, die die hilflosen Empfänger nicht bestellt und sicher auch nicht gewünscht haben. Antworten können sie darauf auch nicht, sie sollen vielmehr die in den Briefen beworbenen Dinge kaufen. Der Begriff ist daher ein Euphemismus für unverlangte Werbung, die eigentlich Monologpost heißen müsste. Nebenbei, der zuvor von dem Unternehmen genutzte Ausdruck Infopost ist auch nicht viel besser, denn auch er will über den Inhalt täuschen.
Vielen Dank an E. aus S. für den Tipp und an Katalin N. für die Monologpost.
Vom S. ist vor allem im Zusammenhang mit Staatsschulden die Rede. Die Metapher ist seltsam, denn eigentlich sind Schulden ja ein Mangel an Geld. Es müsste also müsste eigentlich „Schuldenloch“ heißen, wie ja auch von Haushaltslöchern die Rede ist. Löcher sind unschön, sind aber bildlich nicht so erdrückend wie der S., der meist auch noch zu „stemmen“ ist. Dieses stemmen sollen dann oft die künftigen Generationen erledigen, obwohl die Zinszahlungen ja sofort fällig werden. In diesem Zusammenhang ist auch von Zinslast die Rede. Wem das noch nicht mühsam genug klingt, der spricht vom Schuldendienst, ein Begriff der aus Zeiten stammt, in denen Schuldner ihre Schuld abarbeiten mussten. Ein Staat muss das nicht tun, daher ist der Ausdruck Unsinn. Insbesondere weil Staatsschulden selten oder nie getilgt, sondern in der Regel rollierend refinanziert werden. Sie werden in die Unendlichkeit verlängert. Das Beispiel zeigt: Metaphern helfen nicht immer dabei, Probleme zu verstehen.
Viel ist passiert seit dem letzten Podcast Nummer 20, auch sprachlich. Längst nicht alles können wir in der kurzen Zeit besprechen, eineinhalb Stunden sind schnell vorbei. Also los.
Wir haben eine neue Bundesregierung mit einem neuen Koalitionsvertrag und einer niegelnagelneuen Regierungserklärung. In beiden geht es leider sehr oft darum, was diese Regierung wieder machen will. Beispielsweise wieder „Recht und Ordnung durchsetzen“, so als gäbe es die derzeit nicht. Dieses zurück zu etwas, das angeblich früher (besser) war, ist, wie Maha einordnet, nicht etwa konservativ, sondern reaktionär. Fortschrittsfeindlich also. Constanze erinnert dieser Ansatz zu Recht an eine andere Bewegung, die derzeit weltweit mit Entsetzen beobachtet wird und die sich selbst MAGA nennt, weil sie angeblich Amerika wieder groß machen will.
Der Koalitionsvertrag ist noch aus einem anderen sprachlichen Grund interessant. Lässt sich in ihm doch anhand der Wortwahl genau erkennen, welche Vorhaben die Regierung wirklich umsetzen will und welche eher nicht. Oder, wie es der ebenfalls neue Kanzleramtsminister Thorsten Frei im Spiegel gesagt hat: „Andere Vorhaben im Koalitionsvertrag fangen an mit der Formulierung »Wir wollen«. Die kommen nur, wenn wir an anderer Stelle etwas einsparen können oder durch ein schnelleres Wirtschaftswachstum mehr Steuereinnahmen haben.” Wer nachzählen mag: Der Ausdruck wir wollen taucht 150 mal in dem Regierungsdokument auf. Beispielsweise an so entlarvenden Stellen wie dieser: „Wir wollen gleichen Lohn für gleiche Arbeit für Frauen und Männer bis 2030 verwirklichen“ […] „Wir werden eine Kommission einsetzen, die bis Ende 2025 dazu Vorschläge macht.“ Nach sonderlichem Wirtschaftswachstum sieht es derzeit nicht aus, daher sind wohl leider alle Vorhaben, die eingeleitet werden mit „wir wollen“, leere Versprechen.
Auch wir wollen wieder mehr podcasten und schaffen es dann doch nur in größeren Abständen. Aber wir haben deswegen wenigstens ein schlechtes Gewissen. Und die Wahrheit ist: Wir waren früher auch nicht viel häufiger im Äther.
Deutschland kennt sich mit der Wende aus und hat einen auffälligen Hang zu diesem Wort. Die schwarz-schwarz-rote Regierung des Merz hat eine Migrationswende versprochen und flugs mit verstärkten Grenzkontrollen umzusetzen begonnen, die das CDU-Wahlprogramm (pdf) schon angekündigt hatte. Darin hieß es übrigens: „Wir stehen für eine echte Migrationswende, die die Menschenrechte achtet.“ Das kann mit Recht bezweifelt werden.
Das Bundesland Berlin liefert uns Stoff in unserer langjährigen Reihe Schöne-Worte-Gesetze. Denn das Saubere-Küchen-Gesetz sollte die Hygienestandards in Küchen von Restaurants, Imbissen oder Cafés verbessern. Das scheiterte aber an angeblich „überbordender Bürokratie“. Die Ekelrestaurants wird es freuen: Die CDU will das Gesetz streichen.
Die Wachstumslokomotive darf nicht aufgehalten werden, schon gar nicht durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das die Union auch wieder abschaffen möchte, obwohl sie es unter Merkel selbst mit aus der Taufe gehoben hat. Auch hier wird mit Bürokratieabbau argumentiert. An zu viel Bürokratie sind aber weniger sinnvolle Gesetze schuld als ihre aufwendige Umsetzung in der Verwaltung.
Der Papst ist auch neu, daher reden wir auch über ihn. Und über das schöne Wort Breviloquium, das allerdings noch sein Vorgänger Franziskus (Gott habe ihn selig!) für Social-Media-Kurznachrichten eingeführt hatte.
Anlehnung an die Medizin. Spritzen tun etwas weh, sind vor allem aber sehr wirksam, denn dort wird hochkonzentrierter Wirkstoff direkt in den Körper injiziert. Dieses uns allen vertraute Bild will sich der Sprecher oder die Sprecherin hier zunutze machen. Politische Sprache soll die komplexe Wirklichkeit vereinfachen. Metaphern, also sprachliche Bilder, eigenen sich dafür sehr gut. Gesucht sind daher stets leicht verständliche Begriffe, die Assoziationen wecken. Wie die W. – ein kleiner Piks und dann wird schnell alles besser. Das ist das Bild, das hier vermittelt werden soll. Es könnte falscher kaum sein. Die Wirtschaft besteht aus zahllosen sehr komplizierten Zusammenhängen und Abhängigkeiten. Ihr Wachstum zu befördern, ist weder leicht noch billig und geht schon gar nicht schnell. Aber eine W. klingt besser und vor allem einfacher als: Wir senken die Steuern von Unternehmen in der Hoffnung, dass die dann billiger produzieren und mehr exportieren und so mehr Umsatz machen – in dem Wissen, dass wir selbst nicht sicher sind, dass es funktioniert und in Kauf nehmend, dass die Eigentümer dieser Unternehmen so noch viel reicher werden, als sie ohnehin schon sind.
Hochgestochener Ausdruck für den Fakt, mehr Geld zur Verfügung haben zu wollen, das ausgegeben, daher investiert werden kann. Der Spielraum wird hier in seiner ursprünglichen Wortbedeutung benutzt als Raum, in dem sich ein Körper frei – beziehungsweise freier als bisher – bewegen kann. Im Zusammenhang mit staatlichem Handeln wird daraus jedoch ein Euphemismus, denn hinter dem I. verbirgt sich meist die Forderung, mehr Schulden aufzunehmen. Schließlich ist das für eine Regierung der leichteste Weg, an mehr Geld zu kommen: Sie verdient es nicht, sie leiht es sich.