Wer vor Krieg oder Verfolgung nach Deutschland flüchtet und hier Asyl sucht, hat Anspruch darauf, vom deutschen Staat unterstützt zu werden. Diese Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, wie es offiziell heißt, wurden bislang in bar ausgezahlt oder überwiesen. Zumindest zum Teil. Ein großer Teil wurde auch bisher schon in Form sogenannter Sachleistungen zur Verfügung gestellt, also als Unterkunft, Essen, Kleidung. Aufgrund einer rechtspopulistischen und ausländerfeindlichen Neiddebatte fühlten sich jedoch erst einige Kommunen und schließlich die Bundesregierung berufen, diese Praxis zu beenden. Seitdem werden sogenannte B.-n ausgegeben. Die Verwendung der staatlichen Zuwendungen wurde damit stark eingeschränkt. Betroffene können das Geld nur noch in bestimmten Regionen und nur noch für von der Kommune vorgegebene Zwecke in zugelassenen Geschäften ausgeben. Somit ist die B. ein technischer Weg, um die Handlungs- und Bewegungsfreiheit von Geflüchteten in Deutschland einzuschränken. Der nur auf die technische Funktion bezogene Ausdruck, der nach einer Debit- oder Kreditkarte klingt, beschönigt diese Form der staatlichen Gängelung. Eigentlich ist es eine nur-an-manchen-Orten-und-Läden-gültige-Geldkarte für hilflose Menschen, denen damit einige der Freiheiten verwehrt werden, die sie hofften, durch ihre Flucht zu erlangen.
Sicherheitspaket
Das Paket war hier im Blog schon mehrfach Thema, denn es ist ein in der politischen Sprache beliebter Begriff. Er verrät nichts über den Inhalt und nichts über die Absichten derjenigen, die es gepackt haben. Außerdem kann das Paket jeder beliebigen Vokabel zu mehr Klang verhelfen. Bildung ist schön, ein Bildungspaket klingt schöner. Die Bundesregierung hat daher eifrig an einem S. geschnürt, beziehungsweise an einem „Maßnahmenpaket, um die Sicherheitslage in Deutschland zu verbessern“. Der nichtssagende Name sollte dabei unbedingt skeptisch machen. Denn dabei mag es vielleicht um etwas mehr Sicherheit irgendwo gehen, vor allem aber geht es um sehr viel mehr Überwachung. Eine der Maßnahmen in diesem S. ist der „biometrische Abgleich zur Gesichtserkennung“. Der Polizei soll damit erlaubt werden, beliebige Bilder und Videos aus dem Netz und aus sozialen Netzwerken zu fischen, um sie mit den Gesichtern von Verdächtigen abzugleichen. Dass die Bundesregierung damit ein Versprechen aus ihrem Koalitionsvertrag bricht, geschenkt. Nur zu Erinnerung, dort schrieb sie 2021: „Flächendeckende Videoüberwachung und den Einsatz von biometrischer Erfassung zu Überwachungszwecken lehnen wir ab“. Nunja. Genau diese massenhafte Überwachung zahlloser Unschuldiger wird nun eingeführt. Denn über die Jahre werden dort Millionen Unschuldiger gescannt und identifiziert werden. Eine solche Totalüberwachung verstößt gegen das Grundgesetz und gegen europäisches Recht, denn sie greift tief in Grundrechte ein. Zitat: „Das Gesicht ist das persönlichste Datum eines Menschen. Es hat eine hohe soziale Bedeutung und kann nicht abgelegt werden.“ Das Vorhaben sei, schreiben der Chaos Computer Club und viele andere zivilgesellschaftliche Organisationen „zutiefst besorgniserregend“. Klagen vor den entsprechenden Gerichten und jahrelange teure Prozesse gegen dieses Überwachungspaket sind damit programmiert. Kaum Wunder also, dass dieses Gesetz mit einem so nichtssagenden Begriff verkauft wird.
Siehe auch: →Paket.
Danke an Lars K. für die Mitarbeit.
Terrorist, potenzieller
Einer der ersten Begriffe, den dieses Blog kritisierte, war der des →Gefährders, aus dem Politik und Sicherheitsbehörden schnell sogar den →potenziellen Gefährder schufen. Dieser rechtlich unklare Begriff hat es dank der deutschen Ratspräsidentschaft nun auch auf die EU-Ebene geschafft: Dort ist von T. die Rede, was sogar noch bedrohlicher klingt, aber nichts daran ändert, dass ein T. eben gar kein Terrorist ist – sondern nur jemand, von dem Behörden meinen, dass er oder sie Terrorist sein oder auch nur werden könnte. Das Konzept ist rechtlich so wackelig, dass auch bei der Europäischen Union keine zuverlässigen Kriterien vereinbart wurden. Es wurde lediglich ein informelles „geteiltes Verständnis“ (shared understanding) verabschiedet. Wobei sich natürlich sofort die Frage aufdrängt, wie ein ungeteiltes Verständnis aussehen würde. Auffällig ist dabei aber auch, dass in dem betreffenden Dokument stets der deutsche Begriff G. miterwähnt wird. Vermutlich war das Konzept des potenziellen T. den Übersetzern nicht geheuer genug. Leider bleibt die Erfindung von T. nicht folgenlos, sondern ermöglicht einen viel zu weitgehenden Datenaustausch der Behörden.
Siehe auch: →Gefährder, →potenzieller Gefährder und →drohende Gefahr.
Gasumlage
Euphemistischer Begriff für eine geplante Subvention, daher eine staatliche Hilfe, die die Verbraucher und Verbraucherinnen aufbringen müssen und die von den Empfangenden keine Gegenleistung erfordert. Die G. war eine von der Bundesregierung geplante Abgabe, um die es im Sommer 2022 sehr viel Streit gab, die jedoch nie umgesetzt wurde. Bei der G. sollten alle gasnutzenden Menschen im Land pro verbrauchte Kilowattstunde 2,4 Cent zusätzlich zahlen. Das dadurch einzunehmende Geld, die empfangenden Unternehmen wünschten sich 34 Milliarden Euro, sollten Gasimporteure erhalten, also jene Firmen, die Gas kaufen und nach Deutschland liefern. Denn die durch Krieg und Spekulation gestiegenen Gaspreise führten dazu, dass diese Unternehmen das Gas zu sehr viel höheren Preisen einkauften als zuvor. Da gleichzeitig der Verbrauch hierzulande abnahm, hatten diese Firmen höhere Ausgaben, die ihnen nach dem Willen der Regierung ersetzt werden sollten, um ihre Insolvenz zu verhindern. Umlage ist insofern korrekt, weil es dabei um eine Umverteilung von Geld von unten nach oben ging. Gleichzeitig wäre damit das unternehmerische Risiko der Firmen auf die gesamte Gesellschaft umgelegt worden – nicht jedoch ihre zuvor und danach erzielten Gewinne, was viele Menschen zu Recht als unfair empfanden. Die G. war so umstritten, dass sich die Bundesregierung letztlich entschied, sie nicht einzufordern. Stattdessen wurde das am stärksten von Insolvenz bedroht Unternehmen verstaatlicht.
Siehe auch →Kohlepfennig, in dem das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen die Verfassung sah.
Entmilitarisierung
Im russischen Original Демилитаризация. Erklärtes Ziel der „militärischen Spezialoperation“ Russlands und einer der vielen russischen Propagandabegriffe, die als Rechtfertigung für den völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine eingesetzt werden. Denn angeblich dient dieser Überfall dazu, die Ukraine zu entwaffnen, daher jedwedes Militär zu beseitigen, da sonst von ihr eine tödliche Bedrohung für Russland und für die russischstämmige Bevölkerung dort ausgehen würde. Nach dieser Logik ist der Krieg ein Präventivkrieg, also ein vorgezogener Gegenangriff, um einen drohenden Angriff zu verhindern. Die „Spezialoperation“ soll angeblich einen Krieg in Europa vermeiden und „die Menschen, die in der Ukraine leben, schützen“. Anzeichen dafür, dass die Ukraine Russland angreifen wollte, gab es nie. Nichteinmal, nachdem Russland 2014 – ebenso völkerrechtswidrig – die Krim annektiert hatte. Das Argument ist damit ein Vorwand oder eben Propaganda. Eine Lüge, die das Zehntausendfache Morden bemänteln soll. Die Absurdität des Begriffes zeigt sich allein daran, dass nun sehr viel mehr Waffen und Militär im Land sind, als jemals zuvor, wodurch nun wirklich jeden Tag Menschen sterben.