Flüchtlingsstrom

Warum redet niemand von einem Flüchtlingsrinnsal? Oder von einem Flüchtlingsbach? Nicht einmal der Flüchtlingsfluss wir oft erwähnt. Es ist mindestens die Flüchtlingswelle, meist aber gleich der F., wenn ein sprachliches Bild für diejenigen Menschen gesucht ist, die derzeit nach Europa kommen. Ein Strom ist groß und breit, größer, breiter und schneller als ein Fluss. Er hat Kraft, ja Gewalt und geht nicht wieder weg. Er fließt ohne Unterlass, es sei denn, er wird mit viel Beton gestaut. Vor einem Strom kann man sich getrost ein wenig fürchten. Und darum geht es: Worte spiegeln Meinungen wider. In diesem Fall die Angst vor den fremden Menschen, die da kommen. Will der Bundesinnenminister also wirklich beruhigen, wenn er gar von F.-en spricht und den Strom damit noch verstärkt? Worte prägen aber auch Meinungen und jeder, der über Flüchtlinge spricht, sollte sich dessen bewusst sein. Eine Flut ist überschwemmend und zerstörend, ein Tsunami ist gar tödlich und alles vernichtend. Wer so etwas im Zusammenhang mit Flüchtlingen sagt, will die Angst vor ihnen schüren, will Rassismus und Fremdenfeindlichkeit verstärken – oder nimmt sie zumindest billigend in Kauf. John Oliver von „Last Week Tonight“ hat das – mit einer verwandten Metapher – gut veranschaulicht:

John Oliver (Last Week Tonight) schnappt sich eine Schrotflinte
John Oliver (Last Week Tonight) schnappt sich eine Schrotflinte

“David Cameron (…) recently referred to ‘a swarm of people coming across the Mediterranean…’. That language matters. Because a swarm of anything sounds terrifying. No matter what it is. If I hear, there are a lot of kittens coming my way, I’m going to be delighted. But if I hear there is a swarm of kittens approaching, I’m grabbing a shot gun and I’m getting to high ground, cause I’m not gonna let those furry fuckers take me alive.”

Nachtrag: Lawinenmetaphern sind auch nicht unbedingt dazu geeignet, den Menschen ihre Angst zu nehmen und dafür zu sorgen, dass sie aufeinander zugehen und sich gegenseitig helfen.

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