Wassercent

Der Freistaat Bayern ist knapp bei Kasse – vor allem wegen der→Schuldenbremse, der sich die bayerische Regierungskoalition aber mit Haut und Haaren verschrieben hat. Steuern zu erhöhen, ist unpopulär und könnte Stimmen kosten. Also führt man eine Abgabe ein, die zumindest vom Wort her unauffällig klein wirkt, den W. Wer Grundwasser nutzt, soll dafür künftig zehn Cent pro Kubikmeter zahlen. In anderen Bundesländern gibt es das längst, in Bayern wäre es neu. Und es klingt ja wirklich nach einer verschwindend geringen Summe. Trotz der Bezeichnung werden bei jedem Verbraucher am Ende des Jahres jedoch ein paar Euro zusammenkommen und damit Hunderte oder gar Tausende Cent. Doch der W. soll ja ein Steuerinstrument zu Gunsten der Umwelt sein. Wäre er auch, gäbe es nicht Ausnahmen für Großabnehmer, die dürfen weiter große Mengen Wasser umsonst pumpen. Das nennt sich Wirtschaftspolitik. Der Umweltschutz ist da schnell im Weg. Kein Wunder, dass diese Abgabe unpopulär ist. Da kommt ein verharmlosender Begriff gerade recht. Hauptsache, es fließt Geld in die klammen Kassen. Man rechnet mit 60 bis 80 Millionen Euro an Mehreinnahmen jährlich. Was so ein paar Cent (oder besser Euro) doch ausmachen! 

Danke an Stefan P. für den Vorschlag!

Pakt

Während der Zeit des Kalten Kriegs war die Welt noch einfach: Die Guten schlossen einen Vertrag oder traten einem Bündnis bei (Warschauer Vertrag, Nordatlantik-Bündnis), die Bösen gingen einen P. ein (Warschauer P., Nordatlantik-P.) – mitunter gar einen P. mit dem Teufel. Doch die Zeiten haben sich geändert und damit auch das Verständnis des Begriffes: Vielleicht wegen der Assoziation mit dem Teufel (wahlweise auch mit Putin oder Kim Jong-un) klingt P. heute irgendwie stärker und interessanter als „Vertrag“. Offensichtlich wird das Wort P. heute dank seiner Expressivität vorgezogen. Und so gibt es plötzlich auch ganz langweilig klingende Pakte, wie den für Forschung und Innovation oder den Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung zwischen Bund und Ländern. Und es werden immer mehr: So wurden gleich zwei Digitalpakte geschlossen, ein Pakt gegen Lebensmittelverschwendung, ein sogenannter Deutschlandpakt … wenn es so weitergeht, wird es nicht lange dauern, und auch dieser einst so teuflische Begriff wird so abgschliffen sein, dass er durch einen neuen ersetzt werden wird.

Manchmal soll es jedoch nicht so expressiv sein, zum Beispiel bei der →Cyber-Außenpolitik oder beim BSI: Da wird ein Vertrag dann gern mal zum Memorandum of Agreement oder zum Memorandum of Understanding herabgestuft. Die dem zugrunde liegende Vereinbarung soll offensichtloich harmloser daherkommen als ein Vertrag. Ronald Pofalla gefiel dieser Begriff so sehr, dass er ihn zur Deutschen Bahn mitnahm.

Klima-Chaoten

Auch Blockade-Chaoten. Abwertende Bezeichnung, die vor allem Boulevardmedien und konservative Parteien nutzen, um Menschen zu diskreditieren, die ihr Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit ausüben, um auf das gefährliche Versagen von Politik und Wirtschaft angesichts des menschengemachten Klimawandels hinzuweisen. Als K. werden all jene beschimpft, die sich beispielsweise auf Straßen und Autobahnen festkleben, um so den Verkehr aufzuhalten, weil sie damit gegen eine fehlgeleitete Verkehrs- und Klimapolitik der Bundesregierung demonstrieren wollen. Der Ausdruck Chaoten als Schimpfname für Protestierende ist in den siebziger Jahren entstanden. Damals nutzten ihn konservative Politiker und Politikerinnen für linksradikale Protestgruppen, die ihre Ziele mit Gewalt durchzusetzen versuchten. Offenbar wollen jene, die nun von K. reden, eine Analogie zu eben solchen gewaltbereiten Protesten herstellen und damit Aktionen von Gruppen wie der Letzten Generation untergraben. Sitzblockaden, bei denen sich die Teilnehmenden irgendwo befestigen und damit ein einfaches Wegtragen verhindern, gelten rechtlich als Nötigung. Das Bundesverfassungsgericht sieht zwar eine Form von Gewalt darin, die Weiterfahrt von Autos durch eine solche Blockade zu verhindern. Gewalttätig sind die Protestierenden jedoch nicht, im Gegenteil. Gruppen wie die Letzte Generation üben ganz bewusst keine Gewalt aus, weil sie ihren Protest nicht dadurch delegitimieren wollen. Der Ausdruck K. versucht, das zu unterlaufen und die Delegitimierung durch sprachliche Mittel herbeizuführen. Er rückt die Demonstrierenden bewusst in die Nähe des Extremismus, um ihnen das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit aberkennen zu können.

Ampel-Aus

Nette Alliteration, leider aber irreführend. Denn es klingt, als sei hier eine Ampel ganz von allein ausgegangen. Ist sie aber nicht. Es gibt vielmehr klare Verantwortliche. Allen voran FDP-Chef Christian Lindner, der aus Machtstreben die sogenannte Ampelkoalition der Bundesregierung bewusst und mutwillig zerstört hat.

Bezahlkarte

Wer vor Krieg oder Verfolgung nach Deutschland flüchtet und hier Asyl sucht, hat Anspruch darauf, vom deutschen Staat unterstützt zu werden. Diese Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, wie es offiziell heißt, wurden bislang in bar ausgezahlt oder überwiesen. Zumindest zum Teil. Ein großer Teil wurde auch bisher schon in Form sogenannter Sachleistungen zur Verfügung gestellt, also als Unterkunft, Essen, Kleidung. Aufgrund einer rechtspopulistischen und ausländerfeindlichen Neiddebatte fühlten sich jedoch erst einige Kommunen und schließlich die Bundesregierung berufen, diese Praxis zu beenden. Seitdem werden sogenannte B.-n ausgegeben. Die Verwendung der staatlichen Zuwendungen wurde damit stark eingeschränkt. Betroffene können das Geld nur noch in bestimmten Regionen und nur noch für von der Kommune vorgegebene Zwecke in zugelassenen Geschäften ausgeben. Somit ist die B. ein technischer Weg, um die Handlungs- und Bewegungsfreiheit von Geflüchteten in Deutschland einzuschränken. Der nur auf die technische Funktion bezogene Ausdruck, der nach einer Debit- oder Kreditkarte klingt, beschönigt diese Form der staatlichen Gängelung. Eigentlich ist es eine nur-an-manchen-Orten-und-Läden-gültige-Geldkarte für hilflose Menschen, denen damit einige der Freiheiten verwehrt werden, die sie hofften, durch ihre Flucht zu erlangen.