Bei dem Versuch, irgendwelchen Unsinn zu verstehen, hilft oft die Frage nach dem Warum. Warum also reden deutsche Politiker ständig von einem C., wenn sie über das Internet und seine Gefahren sprechen? Immerhin könnten sie den Begriff auch übersetzen und von Rechnernetzkrieg Internetkrieg faseln. Tun sie aber nicht. Klingt das in ihren Ohren vielleicht, als würde das Internet zurückschlagen und sich für all die Schmähungen rächen, die Politiker so über es verbreiten? Wahrscheinlich nicht. Es klingt vielmehr harmloser. Denn im Deutschen verlieren Wörter, wenn sie zusammengesetzt werden, oft an Kraft. Vor allem das zweite Glied in einem solchen Kompositum wird schwächer: Krieg ist gefährlich, Ehekrieg jedoch ist der Streit der Nachbarn, der sich gedämpft hinter der Wohnzimmerwand abspielt. Harmlos aber ist nicht gut – so erschreckend der Gedanke sein mag: Politiker wollen Angst verbreiten. Wir sollen uns fürchten, damit im gleichen Satz angekündigte Dinge wie Kill Switch (Tötungsschalter?) oder Quick Freeze (Das Internet schockfrosten?) nicht mehr so schockierend klingen. Das englische C. hilft dabei. Es verheißt Modernität und unbekannte und dadurch umso finsterere Gefahren, die mit allen Mitteln bekämpft werden müssen. Dank ihm vergisst sich auch leichter, dass es nicht einmal um einen Krieg geht, sondern um Wirtschaftsspionage, um Sabotage und manchmal auch nur um Urheberrechtsverletzungen. Denn wäre es tatsächlich ein Krieg, würde dieses Wort von der Politik gemieden wie eine ansteckende Krankheit.
Nachtrag: Das lesenswerte Sprachlog beschäftigt sich hier ausführlich mit der Herkunft des Wortteils Cyber und findet, es sei „überhaupt ganz allgemein ein schönes Präfix, das an vielen Stellen nützlich sein kann“.
Nachtrag: “Internetkrieg” aktualisiert, dank an pedant.