Wirkfunktion

Funktion leitet sich vom Lateinischen fungere ab, was ‚verrichten‘ oder ,wirken‘ bedeutet. Somit ist W. erst einmal eine Dopplung, eine Wirkungswirkung. Das klingt sinnlos und soll es vielleicht auch. Denn die, die das Wort verwenden, meinen damit das Töten von Menschen. Sie wollen Roboter mit einer W. ausstatten, was in der Konsequenz nichts anderes bedeutet als den Bau beweglicher Selbstschussanlagen – am Ende gar fliegender, beschönigend auch Drohnen genannt. Damit ist W. ein gelungener Euphemismus, denn von Robotern mit scharfen Waffen ist gar nicht die Rede. Gleichzeitig offenbart es die Denkungsart der Erfinder: Sie wollen nicht nur nicht sagen, was sie meinen, sondern auch töten, ohne dafür verantwortlich zu sein.

Mit Dank an Marcel E., @fasel, Matthias G., Frank L. und Jarno R.

Bad Bank

Übernahme aus dem Englischen. Neologismus. Bezeichnung der Politik für den Ort, an dem toxische oder faule Papiere gelagert werden – was gleich aus mehrfacher Hinsicht eine interessante Formulierung ist: Suggeriert es doch erstens, dass es auch gute Banken gibt – eine zumindest zweifelhafte Annahme. Zweitens ist es ein Euphemismus, da es ja nicht um eine schlechte Bank geht, sondern um Wertpapiere, die nichts wert sind (weswegen ihnen der Wert auch in der Wortkonstruktion genommen wurde: denn sind sie toxisch, sind es nur noch Papiere). Drittens spielt B.B. mit der Assoziation des Bad Guy, also mit der Vorstellung dieser üblen, aber doch irgendwie coolen Typen aus dem Kino. Was eine Frechheit ist, lässt sich doch am mutwilligen Ruinieren fremder Leute nichts Cooles entdecken. Und viertens lenkt es davon ab, dass der Begriff Müllkippe, beziehungsweise gar Zeitbombe wohl angemessener wäre. Oder, wenn es denn unbedingt ein beschönigendes Etikett sein muss, wenigstens Wertstoffhof.

Cyberwar

Bei dem Versuch, irgendwelchen Unsinn zu verstehen, hilft oft die Frage nach dem Warum. Warum also reden deutsche Politiker ständig von einem C., wenn sie über das Internet und seine Gefahren sprechen? Immerhin könnten sie den Begriff auch übersetzen und von Rechnernetzkrieg Internetkrieg faseln. Tun sie aber nicht. Klingt das in ihren Ohren vielleicht, als würde das Internet zurückschlagen und sich für all die Schmähungen rächen, die Politiker so über es verbreiten? Wahrscheinlich nicht. Es klingt vielmehr harmloser. Denn im Deutschen verlieren Wörter, wenn sie zusammengesetzt werden, oft an Kraft. Vor allem das zweite Glied in einem solchen Kompositum wird schwächer: Krieg ist gefährlich, Ehekrieg jedoch ist der Streit der Nachbarn, der sich gedämpft hinter der Wohnzimmerwand abspielt. Harmlos aber ist nicht gut – so erschreckend der Gedanke sein mag: Politiker wollen Angst verbreiten. Wir sollen uns fürchten, damit im gleichen Satz angekündigte Dinge wie Kill Switch (Tötungsschalter?) oder Quick Freeze (Das Internet schockfrosten?) nicht mehr so schockierend klingen. Das englische C. hilft dabei. Es verheißt Modernität und unbekannte und dadurch umso finsterere Gefahren, die mit allen Mitteln bekämpft werden müssen. Dank ihm vergisst sich auch leichter, dass es nicht einmal um einen Krieg geht, sondern um Wirtschaftsspionage, um Sabotage und manchmal auch nur um Urheberrechtsverletzungen. Denn wäre es tatsächlich ein Krieg, würde dieses Wort von der Politik gemieden wie eine ansteckende Krankheit.

Nachtrag: Das lesenswerte Sprachlog beschäftigt sich hier ausführlich mit der Herkunft des Wortteils Cyber und findet, es sei überhaupt ganz allgemein ein schönes Präfix, das an vielen Stellen nützlich sein kann“.

Nachtrag: “Internetkrieg” aktualisiert, dank an pedant.

Intensivtierhaltung

Um es linguistisch korrekt auszudrücken: Bei Substantivkomposita mit einem Adjektiv als Erstglied ist Skepsis angebracht, wird diese Konstruktion doch im Deutschen gern zum Täuschen verwendet. Hier nun also wird gehalten, somit eingesperrt und – Achtung, jetzt kommt das Adjektiv –, das auch noch intensiv, also ganz besonders schlimm. Tiere spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle, weswegen es auch gerne mal die aufs Wesentliche reduzierte Intensivhaltung sein darf. Im Zweifel nenne man uns nun fortschrittsfeindlich, aber angebrachter wäre der Begriff Tierquälerei. Doch stünde das auf der bunten Verpackung, würde die armen Biester wohl niemand mehr kaufen, geschweige denn essen wollen. Auch wir nicht. Was zeigt: Wir betrügen uns gerne mal selbst und wollen gar nicht so genau wissen, was drin ist. Schade eigentlich. Vor allem für die intensiv Gehaltenen.

Wirtschaftsregierung

Wir haben Landesregierungen, eine Bundesregierung und eine Art Europaregierung mit Parlament und Rat und Kommission. Bundeskanzlerin Angela Merkel genügt das nicht, sie fordert auch noch eine W. für Europa. Man frage besser nicht, ob damit die Wirtschaft regieren oder ob sie regiert werden soll. Und mache sich auch lieber keine Gedanken darum, ob diese W. über, neben oder unter den bisherigen Regierungen agieren wird oder vielleicht sogar ganz ohne sie, als Schattenregierung. Denn vor allem verschleiert der Begriff etwas ganz anderes. Aufgabe der W. ist es offensichtlich, die sozialen Sicherungssysteme der EU-Länder zu nivellieren, ob Rentenalter, Schuldenbremse, oder Lohnerhöhungen – in allen Ländern sollen die gleichen Werte gelten. Grundsätzlich nicht dumm. Wäre damit nicht eine Sozialregierung oder gar eine Sozialabbauregierung gemeint. Denn selbstverständlich ist es nicht ihr Ziel, beispielsweise das Rentenalter in Deutschland wieder zu senken, sondern es in den anderen EU-Ländern ebenfalls auf 67 Jahre zu heben. Ein Schelm, wer denkt, bei Faktoren wie Lohnerhöhungen würden dann wenigstens die für die Betroffenen vorteilhaftesten Werte gewählt.