Umweltprämie

Die U. war vor allem eines, der Beleg für die Macht der Sprache (und natürlich des Geldes). Für einen Rabatt von kaum mehr als elf Prozent waren nahezu zwei Millionen Deutsche bereit, ihr Auto zu verschrotten (daher umgangssprachlich auch Abwrackprämie) und sich ein neues zu kaufen – egal ob sie es brauchten oder es sich überhaupt leisten konnten. Man ließ sie in dem Glauben, der Umwelt etwas Gutes zu tun. Dabei aber taten sie nichts weiter, als die Taschen der Autoindustrie zu stopfen. Und warum? Weil unvorsichtige Fondsverwalter gierige Hasardeure das Wirtschaftssystem ausgeplündert hatten und armselige Politiker fürchteten, bei der kommenden Wahl ihr Amt zu verlieren. Also nahmen sie das von ihren Bürgern eingezahlte Steuergeld und schenkten es über einen kleinen Umweg der Industrie. Oder, wie Hans Magnus Enzensberger schreibt:

„Abwrackprämie, die; Belohnung für die Vernichtung von Gebrauchtgegenständen; ihr Besitzer empfängt die Prämie, die er als Steuerzahler entrichtet.“

Die Umwelt übrigens, die für die Benennung herhalten musste, hatte von allen wohl den geringsten Gewinn. Im Gegensatz zu den Fondsverwaltern. Die machten einfach weiter und werden inzwischen nicht nur mit fünf, sondern mit dutzenden Steuermilliarden unterstützt. Allerdings hat man bei dem Rettungsschirm den Geldgeschenken für die Banken irgendwie vergessen, den Bürgern wieder ihre elf Prozent abzugeben.

Raubkopie

Um im Wortsinn korrekt zu sein, müsste sich das Erstellen einer R. ungefähr so abspielen: „Ey, Alta, rück die CDs raus, die du dir da kopiert hast, aba zackich, sonst kriechste aufe Mütze!“ Denn merke, das Merkmal des Raubes ist die Gewalt gegen eine Person oder wenigstens doch die Androhung derselben. Daher entspricht die Beschlagnahme etwaig kopierter CDs durch Ordnungsorgane des Staates viel eher den Anforderungen des Raubes (wenn sie denn nicht gesetzlich legitimiert und damit rechtens wäre), als die Anfertigung solcher. Und da wir schon dabei sind, eine Kopie ist eine Kopie ist eine Kopie. Das gilt nicht einmal als Diebstahl. Sie gar eine R. zu nennen, ist ein Oxymoron (also ein Widerspruch in sich: kopieren passt nicht zu rauben) und somit bösartiger Quatsch. Wenn jene, die so gern vom rechtsfreien Raum Internet reden, rechtliche Begriffe so missbrauchen, müssen sie sich nicht wundern, wenn ihnen niemand mehr zuhört.

Steuerentlastung

Sie war eine Lüge, oder um es freundlicher zu formulieren, ein nicht einlösbares Versprechen. Nun gibt es sie nicht mehr, die Bundeskanzlerin hat sie beerdigt. Doch darum soll es gar nicht gehen. Denn die S. ist noch mehr. Sie ist a) Unsinn, denn nicht die Steuer wird von irgendetwas entlastet, sondern vorgeblich der Steuerzahler; es müsste also eigentlich Steuerzahlerentlastung heißen. Doch ist sie b) auch noch der Versuch, Wähler für dumm zu verkaufen. Steuern sind die Basis unseres Gemeinwesens, sie sind die von allen akzeptierte Übereinkunft, dass jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten beiträgt (beisteuert), damit es allen besser geht. Steuer kommt vom althochdeutschen stiura und meint ‚Hilfe‘. Steigt sie, ist es eine Erhöhung, sinkt sie, eine Senkung. Aber eine Entlastung? Der Einzelne mag die Steuern als Last empfinden, kein Problem. Eine Regierung aber sollte sie nicht als solche definieren und in diesem Zusammenhang besser nicht von Abkassieren reden. Denn was sagt sie damit? Doch wohl, dass sie selbst nicht einsieht, wozu sie das ganze Geld noch braucht: Kommt, Ihr armen Beladenen, wir haben keine Ahnung, warum Euch all diese Steuern aufgebürdet wurden, war wahrscheinlich so eine Schnapsidee der SPD. Wir nehmen Sie Euch nun von den gebeugten Schultern. Freuet Euch und keine Sorge, wir kriegen das trotzdem hin. Äh, wir bräuchten dazu nur hier noch eine kleine Maut und da noch einen unbedeutenden kassenindividuellen Zusatzbeitrag und vielleicht dort noch ein paar Studiengebühren, dann wird das schon. Bei der bösen Wirtschaft nennt man so eine intransparente Umschichtung Gebührendschungel oder eine Sauerei und mahnt sie ab.

beispiellos

Warum wird man Politiker? Um gestalten zu können, ist die übliche Antwort. Vielleicht ist das ja der Grund dafür, dass gerade so viele Dinge b. sind. Die Hilfe für den Euro beispielsweise (sic!), die Neuverschuldung, die Lage insgesamt. Alles b. Noch nie da gewesen also. Dabei ist nichts davon wirklich ohne Beispiel oder aber alles – je nachdem, wie eng man den einzelnen Fall definiert oder eben bereit ist, Parallelen zu akzeptieren. Historische Vergleiche aber lassen Politiker schnell wie altbackene Deppen aussehen, außerdem klingt “wie schon die alten Griechen Römer…” nicht so herrlich dramatisch. Und wie soll man als Politiker noch gestalten, wenn große Teile der Arbeit doch alternativlos sind? Richtig. Also braucht es neue Themen, gern auch Neuland genannt. Und das beackern Politiker am liebsten, indem sie noch mehr von dem Geld ausgeben, das sie nicht haben. Oder indem sie gesellschaftliche Grenzen einreißen, die nicht ohne Grund errichtet wurden – im Zweifel aber geschah das natürlich in grauer Vorzeit und ist nicht mehr wichtig, immerhin ist die Lage nun, ja? Wie? Genau, anders.

alternativlos

Glaubt man der Bundeskanzlerin, dann ist derzeit eine Menge a.: das Finanzmarktstabilisierungsgesetz, das Sparprogramm des griechischen Staates, der Einsatz Krieg in Afghanistan, die NATO. Das Wort ist schwer in Mode. Schaut her, soll es ausdrücken, wir müssen das tun, wir können nicht anders, also hört auf zu jammern. Das kommt daher als eine, wie es hier so treffend heißt, “Politik des übergesetzlichen Notstandes”, oder auch als “Eingeständnis der Hilflosigkeit”. Aber stimmt das? Eher nicht, wie die dabei gern verwendete alternativlose Entscheidung zeigt: Die nämlich ist ein Oxymoron, eine Verknüpfung von Dingen, die sich widersprechen. Wäre die Situation ohne Alternative, also Wahlmöglichkeit, gäbe es nichts zu entscheiden. Gibt es aber eine Alternative und sei es nur die, das Gesetz/die Maßnahme/den Krieg eben sein zu lassen, steht auch eine bewusst getroffene Entscheidung dahinter. Wäre Politik also tatsächlich a., bräuchte es keine Politiker. Was zeigt, dass der Begriff auf keinen Fall hilflos ist. Er ist vielmehr eine glatte Lüge.

Nachtrag: Im Januar 2011 wurde alternativlos zum Unwort des Jahres 2010 gewählt.

Noch ein Nachtrag: Im März 2011 verwendete die Bundeskanzlerin statt alternativlos das Synonym unumgänglich, natürlich mit Bezug auf eine Reform – offenbar wirkt die Beschäftigung mit Neusprech.