Schutz, subsidiärer

Subsidien nannten die Römer ihre militärische Reserve. Es waren die Truppenteile, die zu Hilfe eilen sollten, wenn die übrigen Einheiten in Bedrängnis gerieten. Später wurde daraus eine generelle Bezeichnung für Hilfsmittel. Da heute nur noch wenige Menschen Latein sprechen, kann davon ausgegangen werden, dass der Begriff missverständlich ist und die meisten darunter einfach ‚Schutz‘ verstehen. Doch das Adjektiv subsidiär schränkt das Substantiv in seiner Bedeutung ein: Der S., den der deutsche Staat Flüchtlingen aus Kriegsgebieten gewährt, ist nur sehr begrenzt. Es ist ein Hilfsschutz, der angewendet wird, weil der eigentliche Schutz versagt. Denn internationale Verträge haben nie Kriegsflüchtlinge anerkannt. Da es dauernd irgendwo Krieg gibt, und alle ständig neue anzetteln, hatte offenbar niemand Interesse daran, Kriegsflüchtlingen Schutz zu gewähren. Auf den dürfen nur jene hoffen, die aufgrund ihrer politischen Haltung, ihrer Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt werden. Beschossen und bombardiert zu werden, genügt nicht. Statt echter Hilfe erleben die Betroffenen daher in Deutschland auch nur eine Menschlichkeit auf Zeit. Ist der Krieg in ihrer Heimat nicht mehr ganz so schlimm, müssen sie zurück. Egal, wie zerstört, zerrissen und gefährlich ihr Land auch ist.

Einwegflugkörper

Früher war alles ganz einfach: Erst flogen Pfeile, dann Kanonenkugeln, später Raketen. Sie waren alle ganz selbstverständlich E., wurden aber nicht so genannt, weil eine Mehrwegvariante noch nicht erfunden war und es daher nicht darauf ankam. Die Waffen sollten irgendwohin fliegen und dort zerstören und Menschen umbringen. Inzwischen hat sich die Technik gewandelt. Flugkörper sind nun vor allem Bomber und Drohnen. Die fliegen normalerweise zurück, nachdem sie ihre tödliche Fracht abgeschossen haben. Indem der Ausdruck E. aber allein auf das Fliegen abhebt, verheimlicht er die eigentliche Funktion. Da außerdem die Einwegfunktion betont wird, stellt sich sofort die Frage, warum diese Geräte dann nur einmal benutzt werden. Die Antwort darauf verrät den eigentlichen Zweck: weil sie am Ziel explodieren und damit töten.

Videobeweis

Ein Gastbeitrag von Oliver F.

Seit der Saison 2017/18 in der Fußball-Bundesliga im Einsatz, um Schiedsrichtern bei der Entscheidung zu helfen. Doch der Begriff V., zunächst bloß im Volksmund gebräuchlich, inzwischen auch vom DFB verwendet, führt in die Irre. Die wenigsten Szenen im Fußball sind so eindeutig, wie sich das die Befürworter der neuen Technik wünschen. Eindeutige Fehler sind selten. Die Videos beweisen daher oft nicht viel und bedürfen vielmehr selbst der Auslegung. Denn es braucht ein Subjekt, das den Geist der Regel versteht und ihr anschließend Geltung verschafft. Der V. soll den Fußball transparenter machen. Das kann gelingen. Er soll ihn auch objektivierbarer machen. An diesem Ziel wird er scheitern. Dass der Ausdruck eine Objektivität vorgaukelt, die die Technik nicht leisten kann, schwächt die Idee eher, als sie zu stärken.

Nachrichtendienst

Bislang bekannt als Geheimdienst, da Geheimhaltung die hervorstechendste und die problematischste Eigenschaft dieser Institution ist. Der Ausdruck N., der von allen deutschen Geheimdiensten und von der Bundesregierung bevorzugt wird, betont eine andere Eigenschaft: die Beschaffung von Nachrichten und Informationen. Das aber tun beispielsweise auch Medien. Eine Unterscheidung der beiden ist damit nur noch anhand des wenig erklärenden Zusatzes Dienst möglich. Dieses Verwischen des eigenen Profils ist Absicht und damit Neusprech. Es lenkt von der eigentlichen Tätigkeit ab, die in demokratischen Staaten zwar als notwendig, gleichzeitig aber als potenziell gefährlich und als kaum kontrollierbar gilt. Dass es noch immer die wichtigste Aufgabe der N.-e ist, im Geheimen zu operieren, gab auch Hans-Georg Maaßen, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, unfreiwillig zu. Er sagte in der ersten öffentlichen Anhörung aller N.-Chefs im Oktober 2017 im Bundestag: Das Besondere seiner Tätigkeit sei gerade „die geheime Beschaffung von Informationen“. Und weiter: „Wir beschaffen geheime Informationen mit geheimen Mitteln.“ (sic)

Zur veränderten Betonung von Eigenschaften siehe beispielsweise auch die → Technikoffensive.

Entscheidungszentrum

Auch Rückführungszentrum, oder Aufenthaltszentrum, spezielles. Das E., beziehungsweise das Willkommenszentrum … nein, das Aufnahmezentrum… falsch, das Ankunftszentrum, ach, halt, das Bundesausreisezentrum … also dieses Abschiebelager – das wurde von der CDU/CSU gerade wieder umbenannt. Jetzt heißt es Entscheidungs- und Rückführungszentrum. Der Irrsinn hat Methode. Das Abschieben von Menschen, die in Deutschland um Asyl gebeten haben, ist nicht sonderlich populär, auch wenn ein kleiner Teil der Bevölkerung es lautstark und mit unflätigen Begriffen fordert. Und den Regierenden scheint es peinlich zu sein, dass sie so offensichtlich auf jenen kleinen Teil der Bevölkerung hören. Daher versuchen sie, ihren Populismus hinter immer neuem Neusprech zu verstecken.

Mit herzlichem Dank an @benfooben für den Tipp.