Neusprechfunk, der Podcast zum Blog

Lohnzurueckhaltung, Flexibilisierung

Wir versuchen etwas Neues, wir schreiben nicht nur über Neusprech, wir reden nun auch darüber. Ab sofort gibt es den Podcast zum Neusprechblog, den Neusprechfunk. Und wir haben uns dazu Unterstützung geholt: Constanze Kurz, Informatikerin, eine der Sprecherinnen des Chaos Computer Clubs und erklärte Sprach-Nerdin, wird künftig mit uns den Neusprechfunk gestalten.

Die Idee des Ganzen: Zeitung lesen und dann darüber reden.

Hier der erste Neusprechfunk, anderthalb Stunden Wortklaubereien und gute Laune (MP3 83.4 MB – das Laden dauert also eine Weile):

Nummer eins
RSS-Feed: https://neusprech.org/feed/podcast/
Sozialstaatskonservative

Es geht darin um Sozialstaatskonservative, Parteien in der Mitte, das Weltjugendlied, Synekdochen und viele andere Dinge. Anbei die Links zu den besprochenen Artikeln und Seiten.

die Macke der SPD

Spiegel: „Hang zum Hadern“
Spiegel: „Spendier-Partei Deutschlands“
Der mehrjährige Finanzrahmen (MFR), der eigentlich der Etat der EU ist, ist leider nicht online: Süddeutsche Zeitung, 9. Juni 2012, Seite 8 „Eine Billion, um Europa aus der Krise zu führen“
Süddeutsche: „Deutschland will eine neue Börsensteuer“
Süddeutsche: „Terrorabwehr an zwei Orten“
Süddeutsche: „Europa erwartet Hilferuf Spaniens“, mit der Steigerung: Refinanzierung seiner Banken, Rettung seiner Banken, Pleite der Banken. Die Pleite allerdings fehlt in der Online-Version. Der Text wurde verändert.

Online: So muss die Euro-Gruppe vor einem Beschluss klären, ob Madrid die Banken nicht aus eigener Kraft retten kann.
Print: So muss die Euro-Gruppe vor einem Beschluss klären, ob ein Konkurs der betroffenen spanischen Banken die Stabilität der Euro-Zone gefährden würde. Außerdem muss klar sein, dass Madrid die Banken nicht aus eigener Kraft retten kann.

Google NGram-Viewer zu Abwehrzentrum

Die Wortwarte für das Jahr 2012

Und als Nachtrag: Die Aufklärungskolumne im Osten hieß „Prof. Borrmann antwortet“ und erschien in der Zeitschrift „neues leben“. Recht interessanter Mann übrigens.

Die wunderbar plongelnde Musik zu Beginn ist von Erdgeist, dem wir dafür herzlich danken!

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schonungslos

Sich nicht zu schonen, ist ein gefährliches Konzept. Jeder braucht schließlich ab und zu Ruhe und Erholung, sonst geht er kaputt. Weshalb der Begriff auch im Sinne von kalt und unmenschlich verstanden wird. Trotzdem ist s. in der Politik beliebt. Denn es signalisiert, dass sich dort jemand mit all seiner Kraft für eine Sache einsetzt, oder das zumindest behauptet. Es sollte allerdings skeptisch machen, dass es in der politischen Alltagssprache ein ganzes Rudel Synonyme dafür gibt: bedingungslos, lückenlos, rückhaltlos, vorbehaltlos – immer geht es darum, jeden Zweifel am Gesagten zu zerstreuen. Als besonders lückenlose Form der schonungslosen politischen Handlung hat Roland Koch gar einst die brutalstmögliche Aufklärung erfunden. Und damit vor allem bewiesen, dass das sprachliche Bild längst abgenutzt ist. Denn es genügt offensichtlich nicht mehr, etwas aufzuklären, aufzudecken, offenzulegen oder zu enthüllen. Immer muss es gleich der Superlativ sein. Trauen wir Politikern nicht mehr, wenn sie etwas sagen? Trauen sie sich selbst nicht? Oder wollen sie gar etwas anderes sagen, wenn sie den Ausdruck s. benutzen? Die Befürchtung zumindest verwundert nicht. Denn wer so unterstreicht, dass er sich und andere bei der Aufdeckung von Fehlern nicht schonen will, hat unter Umständen genau das vor und möchte lediglich davon ablenken.

Tauschbörse

Eine Börse ist ein Handelsplatz, dort wird gekauft und verkauft. Der Wortursprung ist nicht ganz klar, aber es dreht sich eindeutig um Geld. Von tauschen wird hingegen gesprochen, wenn es darum geht, etwas zu geben und gleichzeitig etwas von ungefähr gleichem Wert dafür zu bekommen. Dabei ist tauschen mit täuschen verwandt, denn bei solchen Tauschgeschäften kommt es durchaus vor, dass sich jemand über den Wert der zu tauschenden Dinge täuscht oder getäuscht wird. Im Fall der T. ist jedoch gleich das ganze Wort eine Täuschung. Denn erstens handelt es sich nicht um eine Börse, da die Teilnehmer nicht miteinander handeln und oft kein kommerzielles Interesse haben. Zweitens wird hier auch nicht getauscht. In der Regel stellen „Filesharer“ einfach eine Menge Dateien auf ihrem Computer allen anderen Nutzern der Plattform zur Verfügung und laden von anderen, die das auch tun, Dateien herunter, die sie haben wollen. Oder auch nicht. Somit gibt es nicht einmal einen echten Tausch der einen Sache gegen eine andere, geschweige denn einen Handel. Es handelt sich also um eine Fehlbezeichnung, um einen Malapropismus. Vielleicht ist es sogar ein Dysphemismus, also der Versuch, etwas finsterer aussehen zu lassen, als es ist – werden doch finanzielle Interessen unterstellt, die gar nicht vorhanden sind.

ehemalig

Am Anfang war ein Adverb namens ehemals. Das bedeutet ‚früher‘. Aus diesem wurde dann mithife der Adjektivableitung -ig ein charakterisierendes Adjektiv mit der Bedeutung ‚wie ehemals‘, also ,wie früher‘. Manchmal wird es auch genau so verwendet, beispielsweise in der Kombination das ehemalige Berlin – ‚Berlin wie es früher war‘. Oder auch die ehemalige BRD. Das meint dann die BRD wie sie früher war. Es meint aber nicht, dass die BRD nicht mehr existiert. Wer also sagt, die ehemalige DDR und damit ausdrücken will, dass es die DDR nicht mehr gibt, der redet Unsinn. Denn eine ehemalige DDR gäbe es nur, wenn es noch eine DDR gäbe und wir darüber reden wollten, dass sie heute zwar noch da ist, früher aber anders aussah. Alles klar soweit? Wenn also jemand sagen möchte, dass er in der DDR aufgewachsen ist, reicht es völlig, zu sagen, dass er in der DDR aufgewachsen ist. Denn jeder weiß, dass sie nicht mehr vorhanden ist. Das e. braucht in diesem Zusammenhang niemand. Und es stellt sich vielmehr die Frage, warum jemand das Offenkundige hervorheben muss. Die sich leicht beantworten lässt: Derjenige hat offensichtlich bis heute ein Problem mit der einstigen Existenz. Das e. dient also dazu, die DDR in Anführungszeichen zu setzen, wie es der Springer-Verlag noch bis August 1989 tat.