Bomben, virtuelle

Der derzeitige Innenminister fürchtet sich via Massenmedien davor, „kriminelle Banden oder Terroristen“ könnten bald „virtuelle B. zur Verfügung haben“. Wir können ihn beruhigen, vor solchen Bomben muss er sich nicht fürchten – und auch sonst niemand. Ist virtuell doch das Gegenteil von ‚physisch vorhanden‘ und ein virtueller Gegenstand einer, der nur in der Fiktion existiert – in der erdachten oder erträumten Welt. Denn virtuell kommt vom französischen virtuel (‚nicht real, nicht physisch‘), das sich wiederum vom lateinischen virtus (‚Tugend, Charakter‘, eigentlich ‚eines Mannes [vir]‘) ableitet. Es bezieht sich also auf etwas, das höchstens als Metapher funktioniert, ohne selbst vorhanden zu sein. Wovor sich der Innenminister fürchten könnte, wenn er das denn unbedingt will, sind logische B.. Die können tatsächlich einiges Chaos verursachen, in Computerprogrammen. Weswegen man Innenminister Friedrich als eine solche logische B. betrachten könnte, metaphorisch versteht sich. Denn er verwirrt Köpfe.

abstrakt hoch

Abstrakt kommt vom lateinischen Verb abstrahere ‚entziehen‘. So ist die abstrakte Malerei eine, die dem realistischen Abbild entzogen ist beziehungsweise sich von ihm entfernt hat. Eine abstrakte Gefahr ist eine, die sich nicht konkretisiert, vgl.: konkret von concrescere (lat.) ‚zusammenwachsen, erwachsen‘. Sie ist also weniger bedrohlich als eine unmittelbar drohende, konkrete. Das wirft erstens die Frage auf, ob sie damit überhaupt noch eine Gefahr ist. Wird diese doch definiert als (konkrete) Wirkung einer (bis dahin abstrakten) Gefährdung. Zweitens passt zur Gefahr nicht das Adjektiv hoch. Im deutschen sind Türme hoch, Gefahren jedoch sind groß. Das kommt daher, dass die erwähnten Türme sich prima messen lassen, Gefahren eher nicht so, hoch aber nun einmal die Mess- und Vergleichbarkeit auf einer Skala impliziert.

Wenn also der Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns Lorenz Caffier (wie viele andere Angstmacher Sicherheitspolitiker vor ihm) sagt, die Terrorgefahr sei abstrakt hoch, dann legt er einerseits nahe, das Risiko sei enorm. Nur um diesen Gedanken mit dem adverbialen abstrakt sogleich wieder zunichte zu machen und eigentlich, wenn auch unwillentlich auszusagen, dass es wohl eher hochabstrakt ist. Sprachlich zumindest hatten wir da schon begabtere Kraftmeier. Karl-Theodor zu Guttenberg beispielsweise. Der immerhin sagte, als er noch ein Amt inne hatte, die Gefahr von Anschlägen sei für manche „abstrakt“, tatsächlich aber „hochkonkret.

Dass sich das Konkrete nicht mehr steigern lässt, soll hier gnädig ignoriert werden, denn es geht um etwas anderes: All diese Wortakrobaten nämlich versuchen das Unmögliche: die Bürger zu warnen und gleichzeitig zu beruhigen. Denn sie sollen sich gerne ein bisschen gruseln, um neue Überwachungsgesetze toll zu finden, aber sie sollen nicht gleich abhauen. Wer will schon Wähler verschrecken. Da das nicht beides gleichzeitig geht, und sie (die Kraftmeier, nicht die Bürger) die Klappe nicht halten wollen, kommt obiger Wahnwitz heraus.

Meiler

Ein M. ist eigentlich ein Holzhaufen, der langsam zu Holzkohle verschwelt und der so heißt, weil viele Scheite aufeinander gestapelt werden (lat. milarium ‚Tausendschaft, Haufen‘). Doch werden so auch Atomkraftwerke bezeichnet. Das ist etymologisch zumindest nicht ganz falsch, „verbrennen“ dort doch viele Urandioxidpellets. Mit dem Unterschied, dass die verkohlten Holzscheite nützlich sind, während die Uran- oder Plutoniumstäbe lebensgefährlichen Müll darstellen, der dringend in ein Endlager gehört. Weswegen der M. wohl als rhetorische Strategie gelten darf, Unbekanntes und Gefährliches mit Bekanntem und Nützlichem zu benennen (vgl. Vorratsdatenspeicherung).

zeitnah

Beliebte „Blähvokabel“ (Pleonasmus), klingt so schön eilig. Bedeutet jedoch eigentlich: irgendwann, vielleicht aber auch nie (und ist somit eine Antiphrase). Umgangssprachliche Entsprechung ist der Satz: „Jaja, gleich (und jetzt hau ab).“ Das sollte man dann auch schleunigst tun, wird man doch von solchen Zeitgenossen nie eine konkrete Antwort bekommen.

Mit Dank an Wolfgang B.

Harmonisierung

Harmonia, die: Griechisch für Zusammenfügung, siehe gleichnamige Göttin der Eintracht. Als erstrebenswert geltender Zustand, mit dem Symmetrie, Wohlklang und Abwesenheit von Konflikten assoziiert sind. Die davon abgeleitete H. nutzt die positive Konnotation zur euphemistischen Umschreibung einer Zwangsvereinigung auf niedrigstem gemeinsamen Niveau. Beispielsweise bei der Vereinheitlichung europäischer Vorschriften. Bezeichnenderweise stellt sich eben jene Harmonie bei vielen Bürgern nicht ein. Vielleicht soll sie das aber auch gar nicht, ist das Ziel der H. doch, „Störungen im gemeinsamen Markt zu vermeiden“. Nicht etwa Störungen im Zusammenleben der Menschen.