Ver|sach|lich|ung, die; Politik-Variante des im Sandkasten heulend gebrüllten: „ich will das nicht mehr hören, Ihr seid gemein.“ Wenn alle Argumente gegen einen Diskutanten sind, bildet die Forderung nach V. das letzte Mittel, denn sie enthält den indirekten Vorwurf, alle anderen hätten nicht etwa Recht, sondern seien lediglich unsachlich.
Was lustig ist, handelt es sich doch bei der V. um eine Ableitung von versachlichen, das auf das Adjektiv sachlich zurückgeht, das wiederum das Lehnwort objektiv verdeutscht. Eine versachlichte Diskussion oder gar Debatte ist also ein Widerspruch in sich, eine contradictio in adiecto, vielleicht sogar ein Oxymoron. Denn eine Diskussion zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass die vertretenen Standpunkte eben nicht objektiv sind.
Daher lautet die Biermann-Haase-Erweiterung von Godwins Gesetz: Je länger eine politische Diskussion dauert, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand die V. derselben fordert. Beziehungsweise, in Anlehnung an Richard Sexton: Wenn jemand die V. einer politischen Debatte fordert, ist die Debatte beendet und der Forderer der argumentative Verlierer.
Prominente Beispiele: Vatikansprecher, die fordern, die Debatte um sexuellen Missbrauch in der Kirche solle doch bitte versachlicht werden, mit anderen Worten nicht immer nur von den bösen Priestern handeln; Atomkraftwerksbetreiber, die finden, das ständige Debattieren über eine zusätzliche Besteuerung ihres riskanten Tuns helfe nicht (vor allem nicht ihnen); Innenpolitiker, die verlangen, das Gerede über Nacktscanner müsse ein Ende haben, das schade der Sicherheit, oder die Vorratsdatenspeicherung solle nicht mehr so genannt werden, da werde man „komisch angesehen“.
Vgl. auch ähnliche Strategien der Argumentation: alternativlos und absurd.