Fluchtursachen, Bekämpfung von

Rechtfertigung für den Einsatz der Bundeswehr in Ländern wie Afghanistan, Irak, Mali oder Syrien. Die Bundeswehr solle die Menschen dort vor den Angriffen der in diesen Ländern bereits kämpfenden Nationen schützen, besagt die Doktrin, die Union und Teile der SPD verkaufen wollen. Bomben werfen also, damit die Menschen, die dort verzweifelt vor Bomben fliehen, bleiben und nicht nach Deutschland kommen … Das Konzept ist genauso bekloppt, wie es klingt. Was wohl der Grund für die verschwurbelte Bezeichnung ist? Zwar ist Bekämpfung zumindest sprachlich insoweit ehrlich, als es um Krieg und Kampf geht. Wobei das Verbalabstraktum Bekämpfung gegenüber Krieg und Kampf eine Abschwächung ist. Leider ist es sogar noch in der abschwächten Form eine Lüge, denn 500 Bundeswehrsoldaten können in Mali noch so viel spähen und schießen, sie werden kaum erreichen, dass das Land sicherer wird. Geschweige denn dort Demokratie einführen und wirtschaftlichen Aufschwung ermöglichen. An den Fluchtursachen ändert sich durch deutsche Soldaten nichts. Warum also sollen sie in Kriege geschickt werden? Zynischerweise nutzt vor allem die CDU/CSU die Angst von vielen ihrer Wähler vor Fremden aus, um Milliarden für Rüstung ausgeben zu können, statt sie als Entwicklungshilfe zum Bau von Schulen in den betroffenen Ländern „verschleudern“ zu müssen. Aus Eigennutz schürt die Union die irrationale Hoffnung, die Kriegsflüchtlinge blieben, wo der Pfeffer wächst, wenn man nur genug Krieg in ihre Länder trage. Sie nimmt dabei in Kauf, im Zweifel auch Diktaturen zu stabilisieren, wenn die als Gegenleistung ihre Menschen im Land einsperren festhalten. Übrigens: Ein sicher nicht ganz unerwünschter Nebeneffekt: Die Union nutzt die Angst vor Fremden, um den ihr längst lästig gewordenen deutschen Pazifismus gleich mitzubekämpfen.

Verkehrsdatenspeicherung

Meint nicht, Autos oder Fußgänger zu zählen. Die V. – hier in einer in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerten Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel – ist die neue Umschreibung der als  Vorratsdatenspeicherung bekannt gewordenen flächendeckenden Überwachung von Kommunikation. Die V. ist wie all ihre Vorgänger ein Euphemismus, ein Wort, das verstecken soll, worum es geht. Gemeint sind Daten, die beim Kommunikationsverkehr anfallen, auch gern Metadaten genannt, beziehungsweise „nur Metadaten“. Die sagen mindestens so viel über die Betroffenen aus, wie gesprochene Worte, sie für Wochen und Monate zu speichern und auszuwerten, ist Überwachung und nicht nur eine V. Das Verfahren hat damit eine beeindruckende sprachliche Historie hinter sich, immer mit dem Ziel, eben nicht zu sagen, was wirklich gemeint ist. Zur Erinnerung hier die bisherigen Versuche, die Überwachten als dumm zu verkaufen:

→ Vorratsdatenspeicherung sollte fürsorglich klingen;
→ Mindestdatenspeicherung sollte es als notwendig erscheinen lassen;
→ Mindestspeicherdauer ebenso, verbirgt dabei aber noch, dass es um Daten geht;
Mindestspeicherfrist geht noch weiter und verschleiert auch die Dauer; → Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten deutet eine Verpflichtung an;
 private Vorsorgespeicherung weist weg von staatlicher Überwachung und hin zur Vorsorge und damit zu etwas für alle Nützlichem;
digitale Spurensicherung lehnt sich an ein alltägliches Verfahren der Polizei an.

Wer so hartnäckig verbirgt, worum es geht, beweist damit nur eines: Das Zeug ist gefährlich.

Flughafenverfahren

Bedeutungsleere Wörter kommen gern harmlos daher, sind es aber nicht, wenn sie dazu dienen, einen Zusammenhang zu verstecken, ja Gewalt zu verbergen. Die → Maßnahme ist ein Beispiel dafür. Ähnlich verhält es sich mit dem Verfahren. In einem Kompositum kann wenigstens ein hinzutretendes Erstglied zum Ausdruck bringen, dass sich hinter einem Verfahren sehr viel mehr verbirgt, wie beim Asylverfahren. Wenn aber das Erstglied ebenfalls harmlos klingt, möglicherweise sogar nur eine Ortsangabe ist, wie in F., dann bleibt vollkommen unklar, worum es sich hier handelt: Das F. könnte etwas mit dem Check-In oder mit der Gepäckabfertigung zu tun haben. In Wirklichkeit geht es darum, Flüchtlinge auf Flughäfen einzusperren, bis über ihr Asylverfahren entschieden ist. So eine Haft kann bis zu 18 Monaten dauern. Ein ziemlich langes und unangenehmes Verfahren also, das meistens mit der Abschiebung endet. Und auch wenn das Bundesverfassungsgericht geurteilt hat, dass es sich dabei rechtlich nicht um einen Freiheitsentzug handelt, so nennt es den Vorgang doch zumindest eine Einreiseverweigerung. Für die Betroffenen kommt sie einer Haft gleich. So etwas als F. zu bezeichnen, zeigt einen starken Wunsch, das Ganze euphemistisch zu verbrämen. Ungefähr so, als würde die heimliche Ausspähung fremder Computer, die gern als → Onlinedurchsuchung verniedlicht wird, als Festplattenverfahren bezeichnet.

Flüchtlingsstrom

Warum redet niemand von einem Flüchtlingsrinnsal? Oder von einem Flüchtlingsbach? Nicht einmal der Flüchtlingsfluss wir oft erwähnt. Es ist mindestens die Flüchtlingswelle, meist aber gleich der F., wenn ein sprachliches Bild für diejenigen Menschen gesucht ist, die derzeit nach Europa kommen. Ein Strom ist groß und breit, größer, breiter und schneller als ein Fluss. Er hat Kraft, ja Gewalt und geht nicht wieder weg. Er fließt ohne Unterlass, es sei denn, er wird mit viel Beton gestaut. Vor einem Strom kann man sich getrost ein wenig fürchten. Und darum geht es: Worte spiegeln Meinungen wider. In diesem Fall die Angst vor den fremden Menschen, die da kommen. Will der Bundesinnenminister also wirklich beruhigen, wenn er gar von F.-en spricht und den Strom damit noch verstärkt? Worte prägen aber auch Meinungen und jeder, der über Flüchtlinge spricht, sollte sich dessen bewusst sein. Eine Flut ist überschwemmend und zerstörend, ein Tsunami ist gar tödlich und alles vernichtend. Wer so etwas im Zusammenhang mit Flüchtlingen sagt, will die Angst vor ihnen schüren, will Rassismus und Fremdenfeindlichkeit verstärken – oder nimmt sie zumindest billigend in Kauf. John Oliver von „Last Week Tonight“ hat das – mit einer verwandten Metapher – gut veranschaulicht:

John Oliver (Last Week Tonight) schnappt sich eine Schrotflinte
John Oliver (Last Week Tonight) schnappt sich eine Schrotflinte

“David Cameron (…) recently referred to ‘a swarm of people coming across the Mediterranean…’. That language matters. Because a swarm of anything sounds terrifying. No matter what it is. If I hear, there are a lot of kittens coming my way, I’m going to be delighted. But if I hear there is a swarm of kittens approaching, I’m grabbing a shot gun and I’m getting to high ground, cause I’m not gonna let those furry fuckers take me alive.”

Nachtrag: Lawinenmetaphern sind auch nicht unbedingt dazu geeignet, den Menschen ihre Angst zu nehmen und dafür zu sorgen, dass sie aufeinander zugehen und sich gegenseitig helfen.

Vertrauensperson, unabhängige

Stellen Sie sich vor, Ihr Auto klappert und qualmt. Sie vermuten, dass es nicht mehr so richtig verkehrstauglich ist. Sie könnten zum TÜV gehen und es durchchecken lassen. Aber dann legt der die Karre womöglich sofort still. Das wäre blöd. Wäre es da nicht viel praktischer, Sie suchten sich selbst einen genehmen Gutachter, bezahlten ihm Geld und würden ihn bitten, Ihr Auto zwar anzuschauen, aber das Ergebnis anschließend nicht allzu gründlich in seinem Gutachten aufzuschreiben? Beziehungsweise nur in einer geheimen Version für Sie und in einer entschärften, öffentlichen Version für alle anderen – für die Polizei zum Beispiel? Klingt prima, oder? Genau das hat die Bundesregierung gerade getan. Sie hat sich selbst überprüft, damit es andere nicht tun. Sie hat per Werkvertrag einen Gutachter eingekauft, damit er nachschaue, ob der Bundesnachrichtendienst gegen Grundrechte verstieß, als er der NSA beim Spionieren half. Denn den Volksvertretern wollte die Regierung diese Prüfung nicht überlassen, zu groß schien ihr offensichtlich die Gefahr, dass die den BND anschließend als Rechtsbrecher bezeichnen. Damit diese Farce nicht so auffällt, wurde der Mann hartnäckig als unabhängige V. bezeichnet. Allein deshalb, weil es gut klingt. Es sind gleich zwei Begriffe, mit denen Menschen nur positive Dinge verbinden: von der Regierung unabhängig und jemand, dem man vertrauen kann. Wer will da zweifeln? Leider haben beide Begriffe nichts mit dem Auftrag des Gutachters zu tun. Er war nicht unabhängig und Vertrauen muss man sich erarbeiten. Was ihm nicht gelungen ist, liest man das Gefälligkeitsgutachten den Bericht. Das V im V-Mann steht hier wohl eher für Vertuschung.