Wind, Sonne und Wasser werden in der politischen Sprache seit den neunziger Jahren als erneuerbare Energiequellen oder erneuerbare Energie bezeichnet und vor allem die Partei Die Grünen fordert seitdem ihre verstärkte Nutzung. 30 Jahre später hat endlich auch die FDP erkannt, wie sinnvoll es sein kann, auf fossile Energieträger zu verzichten. Nur so nennen wollen die freien Demokratinnen und Demokraten das nicht. Daher bezeichnet die FDP erneuerbare Energie lieber als F. Deutschland werde durch sie unabhängiger von Energieimporten aus dem Ausland und gewinne so mehr Freiheit, begründete FDP-Chef Christian Lindner im Bundestag die Wortneuschöpfung. Doch die Argumentation ist schief und wohl nur ein sprachliches Ablenkungsmanöver. Denn unter Deutschland liegt haufenweise Kohle, auch damit lässt sich – unabhängig von anderen Staaten – Energie erzeugen, was ja auch weiter geschieht. Kohlestrom wäre nach Lindners Definition ebenfalls eine F. Entweder will die FDP also den grünen Politikgegnern und -gegnerinnen nicht den Erfolg gönnen, diese Idee schon immer verfochten zu haben. Oder sie müssen diese bislang vor allem den Grünen zugeschriebene Energiepolitik umbenennen und mit dem von ihnen besetzten Begriff der Freiheit bezeichnen, um sie der eigenen Gefolgschaft verkaufen zu können. Sprachlich ist diese politische Metapher der FDP dabei nicht sonderlich gut gelungen. Das Erstglied eines Kompositums ist gegenüber einem selbstständigen Wort immer bedeutungsärmer. Die F. also verliert klar gegen die Freiheit. Auch ist der Bezug zwischen dem ersten und dem zweiten Kompositionsglied nicht definiert. Diese Energie mache frei, will die FDP verstanden wissen, aber es könnte auch um freie Energie gehen. Oder um Energie, die aus Freiheit gewonnen und bei der also Freiheit verheizt wird. Wir wollen es aber nicht hoffen.
Härte des Rechtsstaats, volle
Im Gegensatz zum Polizeistaat schränkt der Rechtsstaat die Polizeigewalt ein. Die Bürgerinnen und Bürger sind in ihm gegen staatliche Übergriffe geschützt und genießen zahlreiche Rechte, darunter das Demonstrationsrecht. Die H. des Rechtsstaats besteht also darin, dass sich der Staat und seine Organe an Recht und Gesetz halten. Wenn jetzt H. gegenüber Menschen gefordert wird, die für mehr Klimaschutz demonstrieren, bedeutet das demnach eigentlich, dass die Polizei das Demonstrationsrecht derjenigen durchsetzt, die mehr Klimaschutz fordern. Leider ist das Gegenteil der Fall. Demonstranten und Demonstrantinnen werden beispielsweise mal eben verfassungswidrig in → Präventivhaft genommen, noch bevor sie überhaupt demonstrieren konnten. An Gesetzen, die so etwas erlauben, zeigt sich daher vielmehr die Schwäche eines Rechtsstaats und nicht seine Stärke. Daher haben solche Gesetze vor Verfassungsgerichten auch einen eher schweren Stand, wenn sie denn überprüft werden. Entlarvt wird diese angebliche H. auch sprachlich: durch die gern verwendeten attributiven Adjektive ganz und voll oder durch den All-Quantor mit aller H. Denn natürlich gibt es keine halbe H. Es handelt sich hier lediglich um eine hyperbolische und somit überflüssige (pleonastische) Verstärkung, denn eine halbe oder auch eine dreiviertel H. wäre ja schon eine Schwäche.
Danke an Max für den Vorschlag!
Rückbau
Unsere Sprache kennt für viele Dinge kraftvolle und eindeutige Ausdrücke. Bei einem Abriss, um ein nicht ganz zufällig gewähltes Beispiel zu nennen, weiß wahrscheinlich jeder sofort, was gemeint ist. In manchen Zusammenhängen sind solche Ausdrücke aber offenbar nicht von allen Beteiligten gewünscht. Beispielsweise bei Atomkraftwerken. Abriss klingt den betreibenden Unternehmen wahrscheinlich zu staubig und zu hastig, weswegen sie angesichts der durchaus heiklen Aufgabe lieber vom R. sprechen und schreiben. Ist es doch ein viele Jahre dauernder und aufwändiger Prozess, ähnlich einem Aufbau und soll daher auch so klingen. Bauen wird positiv verstanden, da dabei etwas geschaffen wird. Ein R. nutzt diese Konnotation, um planmäßiger, geordneter und weniger brachial zu wirken. Gleichzeitig legt der Begriff nahe, dass das Bauwerk, das abgerissen wird, nur provisorisch dort gestanden habe und nun endlich zum Ursprungszustand zurückgekehrt werde. Technisch mag das stimmen, inhaltlich bleibt es aber ein Abriss, denn auch beim R. wird das Bauwerk letztlich beseitigt. Dass der R. ein politischer Begriff ist, zeigt sich gerade deutlich an dem kleinen Dorf Lützerath in Nordrhein-Westfalen. Das soll abgerissen, Verzeihung, rückgebaut werden, wie das Energieunternehmen RWE schreibt, damit riesige Bagger die Kohle unter dem Ort aus der Erde holen können, um sie anschließend zu verbrennen. Dagegen gibt es aus vielen guten Gründen Proteste, weswegen RWE diesen Zusammenhang in bestes Neusprech verpackt und schreibt: Lützerath solle „anschließend bergbaulich in Anspruch genommen“ werden. Das Inanspruchnehmen ist dabei allerdings so gründlich, dass nicht nur das Dorf selbst abgerissen wird, sondern viele Meter Erde unter ihm mitverschwinden werden. Hier von einem R. zu sprechen und damit zu suggerieren, dabei werde ein ursprünglicher Zustand wiederhergestellt, ist eine Frechheit.
Mit Dank an Sabine S. für den Hinweis.
Spritpreisbremse
Die S. (auch als Tankrabatt bezeichnet) soll dafür sorgen, dass sich Benzin und Diesel weniger verteuern. Damit soll die durch die gestiegenen Preise vorangetriebene Inflation „gebremst“ werden, weshalb Finanzminister Christian Lindner (FDP) auch von einem Krisenrabatt spricht. Es ist ein „Rabatt“, weil die Allgemeinheit Steuermittel zuschießt, nicht weil man mehr Krise für sein Geld bekommt. Lindners Wortneuschöpfung ist wie so oft ungenau und missverständlich, siehe auch → Freiheitsenergien. Da von diesem Tankzuschuss besonders diejenigen profitieren, die viel Treibstoff verbrauchen, könnte man auch von einer Verbrauchsprämie sprechen. Am meisten profitieren aber natürlich die Hersteller des Treibstoffes. Denn selbst wenn sie den finanziellen Zuschuss nicht durch höhere Preise abschöpfen, was nicht vollkommen ausgeschlossen werden kann, verdienen sie an jedem dank S. mehr verkauften Liter Benzin und Diesel. Es handelt sich daher bei der S. nicht etwa um eine Unterstützung für Bürgerinnen und Bürger, wie in politischen Reden gern suggeriert wird, sondern um ein Konjunkturprogramm für Mineralölkonzerne.
Generalverdacht
Ein Mensch mit Hautfarbe ist auf scheinbar unerklärliche Weise in seiner Gefängniszelle verbrannt, ein zweiter ist bei einer Abschiebung erstickt, ein dritter von hinten erschossen worden. Wer immer wieder darauf verweist, dass solche Taten nur → Einzelfälle sind, gern auch bedauerliche, der will verschleiern, dass die Häufung solcher Vergehen ein Hinweis auf ein grundsätzliches Problem sein könnte. In diesem Fall darauf, dass Teile der deutschen Gesellschaft und damit auch Teile der Polizei rassistisch denken und handeln. Doch wir schweifen ab. Eigentlich geht es darum, dass die Berliner Landesregierung ein neues Gesetz beschlossen hat. Es soll allen Menschen die Chance geben, vom Staat eine Entschädigung zu erhalten, sollte der- oder diejenige von einem Beamten oder einer Beamtin diskriminiert worden sein. Gute Idee eigentlich, denn solange entsprechende Taten nahezu straflos bleiben – siehe oben – werden sie kaum seltener werden. Union und FDP sind trotzdem gegen das Gesetz. Diverse Politiker dieser Parteien behaupten, damit werde ein G. gegen alle Polizisten geäußert. Das ist natürlich Unsinn. Mit der Bestrafung von Geschwindigkeitsübertretungen im Straßenverkehr werden auch nicht alle Autofahrer unter den G. gestellt, Raser zu sein. Immerhin trifft die Strafe nur jene, die das Vergehen auch begehen und lässt allen anderen ihre verdiente Ruhe.
Lustigerweise soll der befürchtete G. sich in den Augen der Kritiker auch nur auf Polizisten und Polizistinnen beziehen, obwohl das Gesetz neben diesen auch alle Lehrer, Richterinnen, Kitaerzieher, Behördenmitarbeiterinnen und viele andere Menschen meint, denn es bindet “die gesamte öffentliche Verwaltung und alle öffentlichen Stellen des Landes Berlin”. Das macht es nur noch offensichtlicher, dass es bei der Kritik allein darum geht, ein sinnvolles Vorhaben zu diskreditieren und damit den Schutz von Minderheiten und die Aufklärung von Amtsmissbrauch zu verhindern.
Nebenbei: Polizisten tun üblicherweise genau das, was nun jenen vorgeworfen wird, die das Problem bekämpfen wollen: Sie stellen ganze Bevölkerungsgruppen unter G., es gibt mit racial profiling sogar ein verschleierndes Fachwort dafür. Wenn einem im beruflichen Alltag immer wieder Dealer aus A-Land und Einbrecher aus B-Land unterkommen, ist es natürlich nachvollziehbar, alle A-Land-Bewohner als Dealer und alle B-Land-Bewohner als Einbrecher zu sehen und sie von vornherein so zu behandeln. Aber ein solcher G. ist nichtsdestotrotz falsch und rassistisch. Der Versuch, diese gefährliche Praxis zu bekämpfen, als G. zu schmähen, ist daher geradezu zynisch.