Der Neusprechfunk 13 aus dem Wohnzimmer

Der Neusprechfunk geht in die dreizehnte Runde! Wir sind zwar aufgrund von Verzögerungen bei der Audio-Bearbeitung wieder etwas hinterher mit der Bewertung der politischen Sprachnutzung, aber haben ein paar Schmankerl und Klassiker im Programm. Außerdem ist dies bereits unser dritter Podcast dieses Jahr, das bitten wir vor etwaigem Spott über die lange Bearbeitungszeit zu beachten!

Auch wir kommen um Internet-Ikonen wie Facebook mit seinem Datenskandal nicht herum, obwohl anderswo schon vieles dazu gesagt wurde. Bei uns geht es aber weniger um den Werbekonzern an sich oder um seine Datenpolitik, sondern um die Empfehlungen der FAZ.

internet-ikone

Im Neusprechfunk 13 (mp3) geht es nicht immer nur um Neuigkeiten und aktuelle politische Diskurse, sondern traditionell auch um Sprachwunder vergangener Jahre. Diesmal gehen wir zurück ins Jahr 2009. Hans Magnus Enzensberger feierte im November dieses Jahres seinen achtzigsten Geburtstag und lieferte dem SPIEGEL einen recht ungewöhnlichen Textbeitrag über seinen Papierkorb, in dem nicht nur Sonderdrucke gelandet waren. (Enzensbergers Stück ist wirklich im Ganzen lesenswert.)

Wir reden außerdem über das Wort smart sowie über Smart Cities, Smart-TV und weitere Objekte oder Geräte, die nun auch klüger werden sollen.

smart example

Apropos smart: Wir haben den aktuell heftig entflammten Handelskrieg zwischen den eigentlich Verbündeten im Prinzip schon klug vorhergesagt, als wir einige Aussagen des Wirtschaftsministers Peter Altmaier nach seinem Washington-Besuch im März im Podcast besprechen. Dort traf sich der Minister mit einem US-Amtskollegen Wilbur Ross. Die FAZ-Online-Version weicht etwas von der gedruckten ab, enthält das erwähnte Zitat Altmaiers jedoch auch.

verbuendete

Der G20-Gipfel hat uns wegen der dort angedrohten, später verhängten und dann von Altmaiers Partei CDU verurteilten Strafzölle und wegen der Sicherheitskosten sowie der Mehrkosten ebenfalls wieder kurz beschäftigt.

Wir sprachen außerdem – wie immer auch inspiriert von der Wortwarte – über:

Hier also der Neusprechfunk 13 als mp3, alternativ wieder die ogg-Version von Neusprechfunk 13.

tisch mit podcast-equipment

Wir bedanken uns bei Maha für seine Gastfreundlichkeit, da wir wegen des Umzugs unseres sonst genutzten Podcast-Studios sein Wohnzimmer okkupiert hatten. :}

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Abschiebe-Saboteur

Bösartige und verunglimpfende Worterfindung des CSU-Politikers Alexander Dobrindt. Nach dessen Logik ist derjenige, der den Abschiebebescheid einer Ausländerbehörde von einem Gericht auf Korrektheit prüfen lässt ein A., da er damit eine Abschiebung verzögert oder verhindert. Unterstellt, dass Menschen, die Grundrechte in Anspruch nehmen und staatliches Handeln von einer unabhängigen Stelle kontrollieren lassen, die öffentliche Ordnung gefährden. Behauptet, dass sie das nur täten, um gefährliche Menschen im Land zu halten und um deutsche Gerichte gezielt zu überlasten. Ignoriert, dass jeder Mensch in Deutschland laut Paragraf 19 Grundgesetz das Recht hat, Bescheide einer Behörde anzuzweifeln. Diffamiert den Berufsstand des Rechtsanwaltes, da er nahelegt, Anwälte würden solche Mandate mit dem Ziel annehmen, die öffentliche Ordnung sabotieren und also zerstören zu wollen. Blendet die Tatsache aus, dass dann auch jeder andere Bescheid einer Behörde klaglos hingenommen werden müsste. Klagen gegen Bußgeldbescheide wegen Falschparkens wären nach dieser verdrehten Rechtsauffassung Verkehrs-Sabotage und Klagen gegen falsche Renten- oder Hartz-IV-Bescheide Sozialkassen-Sabotage. Verschweigt bewusst, dass jährlich viele Hunderttausende solcher Klagen gegen alle möglichen Bescheide vor Gerichten landen und Klagen gegen Asylbescheide nur einen winzigen Bruchteil davon ausmachen. Fordert indirekt, dass Asylsuchenden und Flüchtlingen die Grundrechte aberkannt werden sollen, die jedem Menschen zustehen. Siehe zu dieser Idee auch das → Feindstrafrecht. In dem ohnmächtigen Bemühen, Rassisten als Wähler zu gewinnen, untergräbt Dobrindt mit diesem Neusprech das Vertrauen in Grundrechte, Grundgesetz und Rechtsstaat. Nach seiner Logik ist er damit nicht etwa nur jemand mit einer absurden Meinung, sondern ein Demokratie-Saboteur.

Ankerzentrum

Erneute Worterfindung der Großen Koalition, um Abschiebelager besser klingen zu lassen. Sie lässt an Verankerung und somit an Integration denken, obwohl das Gegenteil gemeint ist. Laut Koalitionsvertrag ist das A. ein Akronym aus den Begriffen „Ankunft, Entscheidung, kommunale Verteilung bzw. Rückführung (AnKER)“. Bislang wurde diese Idee der Union bereits unter folgenden Namen diskutiert: → Entscheidungszentrum, → Rückführungszentrum, → spezielles Aufenthaltszentrum, → Willkommenszentrum, → Bundesausreisezentrum. Der Plan blieb dabei immer gleich. Flüchtlinge werden direkt nach dem Übertreten der Grenze in geschlossene und bewachte Lager gebracht und bleiben dort 18 Monate lang, bis sie entweder Asyl bekommen, oder in ein anderes Land abgeschoben werden. Allein die hohe Zahl an versteckenden und beschönigenden Namen dafür zeigt, wie problematisch das Konzept der Abschiebegefängnisse ist. Selbst Polizisten haben Bedenken, dass die Idee gegen die Verfassung verstößt. Jörg Radek, Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), sagte dem stern: „Wir lehnen diese Ankerzentren ab.“ Die Bundespolizei sei dafür nicht zuständig. Die Unterbringung, Verpflegung und mögliche Bewachung von Asylsuchenden seien keine Aufgaben des Bundes und damit auch nicht der Bundespolizei. „Wir haben grundsätzliche Bedenken, wir haben verfassungsrechtliche Bedenken.“ Der SWR zitiert Radek mit der Befürchtung, in solchen Lagern würden Schutzsuchende kaserniert und von der Bevölkerung isoliert. Das sei schon gesellschaftspolitisch falsch. Außerdem steige das Aggressionspotential in solchen Zentren.

Siehe auch → Schutz, subsidiärer.

Klartext

Der K. wird immer dann versprochen, wenn ein Politiker oder eine Politikerin den Eindruck erwecken will, besonders ehrlich zu sein. Damit ist die Ankündigung, nun komme aber K. jedoch ein Armutszeugnis, beziehungsweise eine Floskel. Bedeutet es doch, dass offene und ehrliche Aussagen in der politischen Sprache nicht die Norm sind. Auch in seinem eigentlichen Wortsinn zeigt sich dieser Widerspruch. In der Kryptographie bezeichnet der K. den entschlüsselten, also den für jeden lesbaren Teil einer Botschaft und meint den Gegensatz zum verschlüsselten, eben nicht verständlichen Teil. In der Umgangssprache ist das ähnlich, dort ist mit K. eine leicht verständliche Botschaft gemeint. Das aber würde bedeuten, dass Politik eben nicht verständlich ist, dass sie sich dem normalen Zuhörer nicht erschließt. Denn wenn politische Botschaften eindeutig und allgemein verständlich wären, bräuchte es die Ankündigung nicht, das Kommende sei nun wirklich mal K.

Siehe auch: → sich bekennen.

Gedankenaustausch mit Hoffnungsträgern: Der Neusprechfunk 12

Ihr werdet wahrscheinlich aus den Schuhen kippen, wenn wir jetzt schon wieder einen Neusprechfunk raushauen, kaum dass der letzte erschienen ist. Aber es sind sprachlich und politisch bewegte Zeiten, da bekennen wir uns zum Podcasten!

Regelmäßige Hörer leiden sicher darunter: Wir haben zu wenig Modethemen! Das ändern wir mit Mahas Hilfe erstmals und widmen uns im Sinne der Popularität unseres Podcasts dem neuesten Kleidungstrend Flanking:

flanking

Wir müssen aber vorwarnen: Wenn man den Podcast gehört hat, fallen einem die modischen Opfer unweigerlich überall auf, auch bei Temperaturen unter Null.

Nie aus der Mode kommt ja bekanntlich das Militär. Wir werfen daher einen längeren Blick auf die jährlich erscheinende Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten an den Bundestag (pdf). Hans-Peter Bartels beschreibt darin den Zustand unserer Parlamentsarmee mit all ihren Lücken, vor allem → Fähigkeitslücken, erkannte und unerkannte. Allzu unerkannt dürfte die Malaise allerdings gar nicht sein, schließlich hatten die letzten drei Verteidigungsminister allesamt schon damit zu kämpfen. Bartels berichtet gar von einem anhaltenden Rationalisierungsdruck seit 1979.

Im Neusprechfunk 12 (mp3) sprechen wir nebenbei auch über den Terrorsoldaten Franco A. und das Haltungsproblem der Bundeswehr, denn schließlich waren die neuerlichen Lücken nicht das einzige Problem der zuständigen Ministerin Ursula von der Leyen. Auf die Lücken bei den soldatischen Notrationen und den fahruntauglichen U-Booten wollen wir aber explizit hinweisen.

Die konservative Ministerin ist nicht der einzige Regierungsvertreter, der sich Gedanken um die militärische Kampfkraft macht. Der zum Zeitpunkt des Podcastens noch amtierende sozialdemokratische Außenminister Sigmar Gabriel schlug in einem FAZ-Gastbeitrag als eine europäische Strategie vor, es den „Flexitariern“ nachzumachen.

flexitarier

An dem Vergleich hatten wir gedanklich etwas zu kauen und konnten ihn auch nur schwer verdauen.

Kaum zu verdauen ist auch die enorme Komplexität der kirchlichen Finanzen, die Reinhard Marx beschreibt. Wir erforschen sie an aktuellen Betrugsbeispielen der katholischen Kirche:

kirche und finanzen

Nur falls wir es im Podcast nicht oft genug erwähnen: Es geht bei dem Betrug um 160 Millionen Euro.

Wir nehmen außerdem ehemalige Hoffnungsträger in den Blick, die im Jahr 1989 ein Titelblatt der Berliner Zeitung dominierten:

berliner zeitung oktober 1989

Der eine ist Egon Krenz, der das Wort Wende gebraucht. Er muss in seiner übrigens vollständig auf mehreren Seiten abgedruckten Rede einräumen: „Mehr als Hunderttausend“ Menschen seien aus der DDR weggegangen. Wir sprechen über diese Rede, seine Aufforderung zum Gedankenaustausch und seinen gescheiterten Versuch, die Macht der SED zu retten.

berliner zeitung krenz

Krenz hält die Rede anlässlich des Sturzes von Erich Honecker im Oktober 1989. In der Berliner Zeitung wird diese Entmachtung so dargestellt, als hätte sich der Staatschef Honecker selbst von seinen Ämtern entbinden lassen:

honecker entbunden

Auf derselben Titelseite finden sich auch die Glückwünsche eines anderen Hoffnungsträgers, nämlich des sowjetischen Regierungschefs Michail Sergejewitsch Gorbatschow, in den wegen der Perestroika und besonders seit seinem Besuch als Ehrengast des 40. Jahrestags der DDR am 7. Oktober 1989 große Hoffnungen gesetzt worden waren.

gorbatschow berliner zeitung

Wir sprechen länger als erwartet über die Zeit vor der berühmten Schabowski-Pressekonferenz, in der Krenz und seine Leute noch vergeblich versuchten, ihre Macht zu retten.

Neben der nun wieder online erreichbaren Wortwarte und einem kleinen, aber spannenden Quiz sprachen wir über:

Hier ist der Neusprechfunk 12 als mp3. Alternativ gibt es wie immer auch eine ogg-Version des Neusprechfunk 12.

Und natürlich legen wir unsere Weinwahl offen:

chardonnay gebruar

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